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Aktuelle Anforderungen an Schulbibliotheken in Deutschland

Magisterarbeit


"A centrally organized school library system does not exist. Each state is independent in culture affairs. There are no general laws about school libraries. In some school development plans there are hints concerning school libraries but without any objection to establish them. Besides there is not much interest on the part of the teachers. Also no unifying system (i.e. classification, catalogue) for public libraries or school libraries exists. Therefore there are only some central services." [1]


Inhalt
0. Einleitung
1. Status quo
1.1 Begriffsbestimmungen
1.2 Zur Situation
1.2.1 Anzahl, Ausstattung und bibliothekarische Unterstützung
1.2.1.1 Infrastruktur in Deutschland
1.2.1.2 Berlin als Beispiel
1.2.2 Das PISA-Argument und die internationale Situation von Schulbibliotheken
1.2.2.1 Die PISA-Studien
1.2.2.2 Diskussionen um Schulbibliotheken im Zusammenhang mit den PISA-Studien
1.2.3 Ansätze von Kommunikation und Forschung
1.2.3.1 Schulbibliothek aktuell, schulmediothek.de und weitere Publikationen im Bereich Schulbibliotheken
1.2.3.2 Landesarbeitsgemeinschaften
1.2.3.3 Forschungsstand
1.3 Rechtliche Lage
2. Ansprüche unterschiedlicher Gruppen
2.1 Bibliothekarische Ansprüche
2.1.1 Informationskompetenz
2.1.2 Erziehung zukünftiger Nutzerinnen und Nutzer
2.1.3 Architektur und Infrastruktur
2.1.4 Einbindung in die Pädagogik
2.1.5 Desiderate
2.1.5.1 Library Skills
2.1.5.2 Gesicherte Stellung
2.2 Pädagogische Ansprüche
2.2.1 Lesekompetenz und Literacy
2.2.1.1 Leseförderung im alltäglichen Betrieb
2.2.1.2 Leseförderung mittels Projekten
2.2.2 Flexibilisierung des Unterrichts
2.2.3 Zensurenfreier Lernraum
2.2.3.1 Lernen wissenschaftlicher Arbeitsweisen
2.2.3.2 Die Schulbibliothek als sozialpädagogischer Raum
2.2.4 Desiderate
2.2.4.1 Unterricht von Nicht-Sprachenfächern mithilfe der Schulbibliothek
2.2.4.2 Unterstützung der Lehrenden
2.3 Lernende und Eltern
2.3.1 Modelle der Befragung, Partizipation und Analyse
2.3.2 Arbeitsmarkteinstieg und alltagspraktische Hilfe
2.4 Politik
2.4.1 Zukunftsfähigkeit und internationaler Wettbewerb
2.4.2 Demokratische Teilhabe, freie Meinungsäußerung und Informationskompetenz
2.4.3 Integration, nationales Selbstverständnis und ethnische Selbstständigkeit
3. Differenzen zwischen einzelnen Ansprüchen und das Verhältnis von Anspruch und Praxis in der schulbibliothekarischen Arbeit - Zusammenfassung und Verortung der Ergebnisse
3.1 Differenzen zwischen den Ansprüchen einzelner Gruppen
3.2 Bildung und Kompetenzen: Differente Subjektparadigmen
3.3 Differenzen zwischen den Ansprüchen an Schulbibliotheken und der schulbibliothekarischen Realität
3.4 Fazit
4. Aussichten und Anwendungsmöglichkeiten
4.1 Ansätze zum Ausgleich der Ansprüche
4.2 Notwendige Vorraussetzungen zur Erfüllung der Ansprüche
4.3 Exkurs: Verstärkte Zusammenarbeit von Schule und Bibliothek, veränderte Aufgaben der schulbibliothekarischen Arbeitsstellen: ein deutscher Sonderweg?
4.4 Mögliche Konsequenzen für die schulbibliothekarische Arbeit
4.5 Forschungsperspektiven
4.5.1 Offene Fragen
4.5.2 Forschungsansätze

Anhang A Methodik und Auswertung der Schulbibliotheksbesuche
Anhang B Nachweise und Auswertung der Schulbibliothekssysteme der PISA-Teilnahmestaaten
Anhang C Schulen mit Schulbibliotheken und deren soziale Lage

Literatur zu Schulbibliotheken und der Zusammenarbeit von Schule und Bibliothek in Deutschland
Literatur zu Schulbibliotheken international
Sonstige Literatur

Tabelle 1 Forderung Medieneinheiten pro Schülerin / Schüler
Tabelle 2 Unterstützende Institutionen für Schulbibliotheken in deutschen Bundesländern
Tabelle 3 Berliner Bezirke und Bibliothekssysteme
Tabelle 4 Schulen und Schulbibliotheken in Berlin
Tabelle 5 PISA-Ergebnisse und Schulbibliothekssysteme
Tabelle 6 Zusammenfassung der Anforderungen an Schulbibliotheken

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0. Einleitung

Im Rahmen jeder Diskussion, die in den letzten Jahrzehnten in Deutschland um Bildung geführt wurde, wurde auch die Einrichtung Schulbibliothek thematisiert. Schulbibliotheken könnten, so der tragende Tenor solcher Beiträge, die jeweils zeitgenössischen Forderungen an Schulen und Bildung im Allgemeinen unterstützen. [2] Selten gab es zu solchen Positionen Widerspruch. Gleichzeitig hielten sich das Wachstum von Schulbibliotheken und das Engagement in Politik und Gesellschaft für diese – außerhalb von akuten Bildungsdiskussionen – in Grenzen. Dieser Gegensatz muss erklärt werden.


Die grundlegende These dieser Arbeit lautet, dass es von verschiedenen Seiten Ansprüche an die Institution Schulbibliothek gibt. Diese wirken sich, so der zweite Teil der These – zumal unausgesprochen und ohne gegenseitige Vermittlung – relevant auf die Diskussionen und Entscheidungen um Schulbibliotheken aus. Hierin könnte ein Grund für die faktische Nichtexistenz eines Schulbibliothekssystems in Deutschland liegen.

Schulbibliotheken sind, wie im folgenden herausgearbeitet wird, im besonderen Maße hybride Institutionen. Bibliothekarinnen und Bibliothekare verstehen sie vor allem als Spezialbibliotheken in Schulen, welche bibliothekarischen Standards entsprechen müssten. Lehrende nehmen Schulbibliotheken als Bildungseinrichtungen oder als Sonderäume in ihren Schulen wahr, ähnlich den Sprachlabors, Schulmuseen, Lehr-Biotopen und Chorsälen, welche jeweils zum eigenständigen Profil einer Schule beitragen, jedoch nicht für die Bewältigung der Curricula notwendig sind. Von bibliothekarischen Standards wird in diesem Fall nicht ausgegangen, wenn überhaupt werden pädagogische Grundlagen gefordert. Lernende und Eltern stellen sich Schulbibliotheken als verlängerte Klassenräume oder als relativ unterrichtsferne Aufenthaltsräume vor, ähnlich den Schulcafés und Schulclubs. Je nach Standpunkt wird von ihnen entweder die Forderung eine Bildungsinstitution oder einen Freizeitraum darzustellen erhoben. Die Politik wiederum, hier verstanden als Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen, Länder, des Bundes sowie lokaler, bundesweiter und internationaler Organisationen, fordert von Schulbibliotheken indirekt die Unterstützung der Lehre, einen effektiven Beitrag zur sozialen Chancengleichheit und zur Vorbereitung der Lernenden auf die Anforderungen der heutigen Gesellschaft. In speziellen Fällen werden Schulbibliotheken zudem als Informationszentren verstanden, beispielsweise wenn sie am Ende der Schullaufbahn den Lernenden eine Unterstützung beim Übergang in Ausbildung und Beruf bieten sollen. Insoweit wäre es verfehlt, von einem allgemein akzeptierten Anforderungsprofil an Schulbibliotheken zu sprechen. Es scheint eher so, als hätten alle Akteure in diesem Feld ein eigenständiges, oft von anderen Vorstellungen gänzlich unabhängiges, Idealbild. [3]

Die Notwendigkeit und besondere Aufgabe von Schulbibliotheken werden in bibliothekarischen und pädagogischen Publikationen stets postuliert. Selten werden diese Aussagen indes konkretisiert. Anforderungen anderer, als der jeweils eigene Gruppe werden so gut wie gar nicht thematisiert. Im Folgenden soll genau dies versucht werden.

Die grundlegende Forschungsfrage lautet: Sind die unterschiedlichen Anforderungen an Schulbibliotheken in Deutschland in einer Institution zu erfüllen? Widersprechen sich diese eklatant oder ist ein Ausgleich möglich? Dabei soll es in dieser Arbeit nicht vorrangig darum gehen, diesen potentiellen Ausgleich zu forcieren und umsetzbare Konzepte für Schulbibliotheken zu formulieren. Ebenso ist es nicht Ziel, eine eindeutige Position im Feld dieser Ansprüche zu beziehen. Die hier vorgenommene Systematisierung und Reflektion soll im besten Fall eine fundierte Grundlage für eine solche Diskussion schaffen. Falls diese geführt wird, kann sie selbst nicht rein wissenschaftlich sein. Sie wird die Frage zu beantworten haben, welchem Bildungsziel Schulbibliotheken und letztlich die Schulen dienen sollen. Eine Arbeit, wie die hier vorgelegte, kann sich dieser politischen Sphären dessen ungeachtet nicht entziehen. Deshalb sollen bei den besprochenen Anforderungen deren gesellschaftliche Konsequenzen angedeutet werden. Dennoch scheint es wichtig, einen gewissen Abstand zum untersuchten Gegenstand zu wahren. Andere Arbeiten zu Schulbibliotheken in den letzten Jahren haben auf diesen Abstand weitgehend verzichtet und konnten somit letztlich die weiteren Konsequenzen ihrer Aussagen nicht thematisieren. [4] Somit wurden zwar einzelne Bereich der schulbibliothekarischen Arbeit verhandelbar, allerdings nicht die aus ihrer ungeklärten Position resultierende Hybridität der Institution Schulbibliothek.

Die Multiperspektivität der Anforderungen determiniert die Begrifflichkeiten und die aktuelle Situation der Institution Schulbibliothek. Der Erste Teil dieser Arbeit besteht deshalb aus dem Versuch einer Begriffsklärung sowie der Darstellung des Status quo der Ausstattung und Infrastruktur von Schulbibliotheken. Gesondert behandelt und näher untersucht wird die Situation in Berlin. Die im Laufe dieses Projektes besuchten Schulbibliotheken befanden sich allesamt in dieser Stadt. [5] Daneben werden Ansätze der regionalen und überregionalen Kommunikation sowie die rechtliche Lage der Schulbibliotheken dargestellt.

Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Ansprüchen einzelner Gruppen, systematisiert diese und stellt sie ausführlich dar. Hierzu wurde vor allem die vorhandene Literatur ausgewertet. Eine zweite Quelle boten die durchgeführten Besuche von Schulbibliotheken und die dort geführten Leitfadeninterviews. [6] Die Darstellung in diesem Bereich soll sich auf die möglichst präzise Wiedergabe der formulierten Anforderungen beschränken. Trotzdem wird den bibliothekarischen und pädagogischen Ansprüchen eine kurze Übersicht von internationalen Beispielen gegenübergestellt, um einerseits die Liste von möglichen Anforderungen zu erweitern und andererseits die Grenzen der Diskussionen in Deutschland aufzuzeigen. Dies kann nicht als ausführlicher Vergleich verstanden werden. Es geht nicht um eine Gegenüberstellung der Anforderungen an deutsche Schulbibliotheken mit denen an Schulbibliotheken in anderen Ländern, sondern um eine sinnvolle Auswahl von im deutschen Diskurs nicht thematisierten Anwendungsmöglichkeiten. Sichtbar wird auf diese Weise, dass ebenso außerhalb Deutschlands eine große Vielfalt von Schulbibliotheksmodellen besteht. Für die Anforderungen von Schülerinnen und Schülern ist die Einbeziehung englischsprachiger Quellen, wegen fehlender deutschsprachiger, unabdingbar.

Im dritten Teil werden die getrennt betrachteten Ansprüche zusammengeführt. Hier soll diskutiert werden, inwieweit die Ansprüche der einzelnen Gruppen parallel laufen, miteinander vereinbar sind oder sich widersprechen. Dabei sollen die heute gestellten Ansprüche nicht als feststehende, sondern als gesellschaftlich verortete, dargestellt werden. Eine kurze Betrachtung des Paradigmenwechsels zwischen den grundlegenden Zielen der Bildungsreformen der letzten Jahrzehnte und der mit den PISA-Studien verbundenen Vorstellungen von den Aufgaben der Bildung, soll eine weitere Variable in der Darstellung der Anforderungen einführen. Wie hat sich mit dem Neuansatz der Bildungsreform die Vorstellung von Schulbibliotheken gewandelt? Es stellen sich außerdem die Fragen, wie weit diese Wandlung ging, ob sie vollständig war und ob sich eventuell ein Satz von potentiell immer an Schulbibliotheken gestellten Forderungen herauskristallisiert. Dies könnte vor allem für langfristige Planungen relevant werden. Im vorletzten Abschnitt dieses Teils sollen die Anforderungen mit der schulbibliothekarischen Realität verglichen werden. Dass es Differenzen geben wird, ist vorhersagbar. Die Frage ist, ob die Ansprüche an Schulbibliotheken überhaupt in der alltäglichen Praxis wahrgenommen werden, ob sie sich gegebenenfalls verändern oder ob sich in der Praxis neue, zuvor nicht thematisierte Anforderungen aufzeigen lassen.

Erst im abschließenden Teil soll versucht werden, Ansätze zu finden, welche den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden könnten. Dabei soll besonders thematisiert werden, welche Infrastruktur, Ausstattung und weitergehenden Untersuchungen für eine solche schulbibliothekarische Arbeit notwendig wären.

1. Status quo

1.1 Begriffsbestimmungen

Eine einheitliche Definition von Schulbibliotheken hat sich in Deutschland nicht etabliert. Dafür scheinen drei Hauptgründe zu existieren:

  • Die stark und relativ uneinheitlich gegliederte deutsche Bibliothekslandschaft, welche jede einheitliche Definition erst als Ergebnis eines langwierigen Diskussionsprozesses zulässt. Indessen gibt es auch im Rahmen der einzelnen Bibliotheksverbände keine einheitliche Definition von Schulbibliotheken.
  • Die föderale Struktur der Bildungslandschaft in Deutschland. Eine Definition von Schulbibliotheken könnte von den Verantwortlichen des Schulwesens verfasst werden. Sie hätte dann allerdings wiederum keine einheitliche Bedeutung für das gesamte Bundesgebiet. Ebenso wie in den Bibliotheksverbänden lässt sich in den Bundesländern keine verbindliche Definition für Schulbibliotheken finden.
  • Der ungeklärte Status und Anspruch von Schulbibliotheken, der in dieser Arbeit als Grundthese vertreten wird. Eine verbindliche Definition ließe sich aus den Aufgaben von Schulbibliotheken ableiten oder zumindest in der Auseinandersetzung mit diesen fassen. Solange jene allerdings nicht allgemein benannt werden können, ist jede Definition schwierig.

Da in Deutschland zudem kein Bibliotheksgesetz existiert, lässt sich ebenso aus keiner rechtlichen Regelung eine Definition ableiten.

Resultat dieser Situation ist, dass sich in der Literatur verschiedene, in Auswahl im Folgendenden referierte, Begriffsbestimmungen finden. Ihnen allen gemeinsam ist die Vorstellung der Bibliothek als Arbeitsraum. Durchgängig werden die bestehenden Bücherkeller oder kleinen Räume, in denen vorrangig die Lehrbuchsätze der Schulen aufbewahrt werden, abgelehnt. Diese seien für pädagogische und bibliothekarische Arbeiten ungeeignet. Es existiert die Vorstellung von unzulänglichen Büchersammlungen, die zwar mit viel Engagement betrieben werden, jedoch nicht als Schulbibliotheken im engeren Sinne genutzt werden können.

Neumann (1989) definiert eine Schulbibliothek als Einrichtung, in welcher alle Medien der jeweiligen Schule zentral erfasst und günstigstenfalls zentral verfügbar sind. Zudem muss ihrer Auffassung nach eine Bibliothek für Lehrende und Lernende der Schule frei zugänglich sein. Der erste Punkt ist als Abgrenzung zu der in einigen Schulen offenbar gepflegten Praxis von Klassenraumbibliotheken zu verstehen. Diese umfassen einen relativ zufällig zusammengetragenen kleinen Bestand, der nur von der jeweiligen Schulklasse benutzt werden soll. Hiergegen stellt Neumann die – zudem in einigen anderen Texten erhobene – Forderung, diese Medien zumindest zentral zu erschließen und somit der gesamten Schule zur Verfügung zu stellen. Desweiteren grenzt sich diese Definition vom Konzept einer nur für Lehrende bestimmten Bibliothek ab. Es wird vorrangig von einem positiven pädagogischen Effekt ausgegangen, wenn die Lernenden sehen können, dass die Lehrenden mit ihrer Ausbildung nicht fertig sind und deshalb ebenso in den Bibliotheken arbeiten müssten. Zudem wird in der Zusammenführung der Bestände einer Schule eine Möglichkeit gesehen, die Ausgaben für Mehrfachanschaffungen zu senken.

Bahler et al. (1999), die für das damalige Deutsche Bibliotheksinstitut eine grundlegende Übersicht zu Schulbibliotheken verfassten, halten sich mit einer eigenen Definition merklich zurück. Allerdings betonen sie die Aufgabe von Schulbibliotheken als Informations- und Kommunikationszentrum. In ihrer Vorstellung ist eine Bibliothek für sich daraus ergebende Aufgaben technisch, organisatorisch und räumlich ausgestattet. Indes wird dies nicht spezifiziert, einzig das Vorhandensein von Internetzugängen wird gefordert.

Schaber-Bratenstein (2003) fügt diesen Ansätzen einer Begriffsbestimmung den kontinuierlichen Bestandsaufbau sowie die Forderung nach relativ langen Öffnungszeiten während und nach der Unterrichtszeit an jedem Schultag hinzu. Jordan-Bonin (2003) nennt dagegen als Definition Schulbibliotheken angenehme, für alle Schülerinnen und Schüler offenen Orte, welche in den Schulalltag und Unterricht eingebunden sowie kontinuierlich betreut sein sollten.

In einigen Texten wird von einer Mindestausstattung an Medien pro Schülerin und Schüler ausgegangen. Die meisten dieser Angaben beziehen sich auf die im Bibliotheksplan 73 [7] zugrunde gelegten 10 Medieneinheiten pro Person. Ferner lässt sich in den Angaben ansonsten keine einheitliche Festlegung finden, zumal die genannten Zahlen nicht oder nur mit Verweis auf den genannten Bibliotheksplan begründet werden. Wie Tabelle 1 zeigt, differieren die Zahlen je nach Schulart und Quelle. Nur in zwei durchgesehenen Publikationen wird auf Zeitschriften eingegangen, während diese Medienform in der sonstigen Literatur ausgespart bleibt. Zum Vergleich sind in diese Tabelle zwei Beispiele aus dem englischsprachigen Raum aufgenommen, welche zeitlich in der Mitte der nachgewiesenen deutschen Publikationen erschienen. Diese sollen die quantitative Differenz zwischen den deutschen und den internationalen Vorstellungen deutlich machen. Zudem wird hier die einzige größere Studie, welche zum Bestand in deutschen Schulbibliotheken durchgeführt wurde, in der ersten Zeile zitiert, um ebenso die Differenz zwischen der realen Ausstattung und den geäußerten Vorstellungen zu demonstrieren. Dabei ist zu beachten, dass diese Zahlen schon 1970 publiziert wurden und nicht für das heutige Deutschland, sondern ausschließlich für die alte Bundesrepublik und Berlin (West) galten.

Mit dem Konzept der Schulmediothek wurde in den 1980er Jahren versucht, die Schulbibliotheken den Anforderungen, welche durch die damals neuen Medienformen gestellt wurden, gerecht zu gestalten. Ziel war es, Non-Book-Medien für den Unterrichtsprozess nutzbar zu machen. Hoebbel (1985) definiert in diesem Sinne eine Mediothek nicht nur als Arbeitsraum, sondern anhand seiner Ausstattung als Raum, in dem räumlich und infrastrukturell die Möglichkeit geschaffen ist, Medien wie Overheadfolien und Videos zu nutzen. Mit der Entwicklung der Medientechnik sind die Anforderungen an Mediotheken, wie Hoebbel (1999) selbst feststellt, gewachsen. Breddin (2001) bezieht dies nicht nur auf die Ausstattung. Er postuliert, dass mit dem Internet sowie den interaktiven Möglichkeiten der Informationsbeschaffung und -recherche den Mediotheken neue Aufgaben erwachsen seien. Vorbild dieser Konzepte sind offensichtlich die School Library Media Centers in den USA, Großbritannien und anderen englischsprachigen Ländern, deren Entwicklung von auf Printmedien basierenden Bibliotheken zu Informationszentren auf der Basis verschiedener Medien in Deutschland insgesamt nachvollzogen werden sollte.

NachweisGrundschuleHauptschuleRealschuleGymnasiumGesamtschuleSonderschuleBerufsschuleBemerkungen
Doderer et.al. (1970), S.351,51,53,02,8--0,54Reale Zahlen
Doderer et al. (1970), S.9610101010101010-
Theorie, Organisation und Praxis der Schulbibliothek (1975) 3 + 5 Zeitschriften + AV-Medien5-8 + 10-40 Zeitschriften + AV-Medien5-8 + 10-40 Zeitschriften + AV-Medien5-10+ 40-60 Zeitschriften + AV-Medien5-10+ 40-60 Zeitschriften + AV-Medien-5-10+ 40-60 Zeitschriften + AV-MedienMindestens 600 Medieneinheiten
Senator für kulturelle Angelegenheiten (1988)-10-13+ 40-60 Zeitschriften > 10% AV-Medien10-13+ 40-60 Zeitschriften > 10% AV-Medien10-13+ 40-60 Zeitschriften > 10% AV-Medien10-13+ 40-60 Zeitschriften > 10% AV-Medien--Mindestens 25.000 Medieneinheiten
Deutsches Bibliotheksinstitut (1992), S.12-1910151515151015-
Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung, München (1996), S.4557710----
Bahler et al. (1999), S.285-10101010-1510-1510--
Dahm (2003)57710---Minimal 1000 Medieneinheiten
Schneider (2005)5-7(50% Sachlit.,10% AV, 5% Comics / Mangas)10-15(60% Sachlit., 20% AV)10-15(60% Sachlit., 20% AV)(für Sek.II)10-15(90% Sachlit., 20-30% AV)10-15(60% Sachlit., 20% AV)10-15(60% Sachlit., 20% AV)-In der Sekundarstufe I und II werden zudem Datenbanken vorausgesetzt
Herring (1982)USA: 40UK,
bis 14 Jahre: 13UK,
> 14 Jahre: 19
Gillspie / Sprit (1983), S.19-32Elementary School (1-6 Grade): 20
Junior High, Middle School (6-9 Grade): 20
Junior senior High (9-12 Grade): 30
Tabelle 1 Forderung Medieneinheiten pro Schülerin / Schüler

Während sich der Terminus School Library Media Center in den englischsprachigen Ländern verankert hat, wird die Bezeichnung Mediothek in Deutschland selten benutzt. Zudem übernimmt heute eine gut ausgestattete Schulbibliothek die vom Mediothekskonzept formulierten Aufgaben. Insoweit werden heutzutage – wie in dieser Arbeit – diese Begriffe quasi-synonym benutzt.

Teilweise werden für Schulbibliotheken weitere Begriffe, wie Bücherei oder Medienraum, verwendet. Zu diesen ließ sich in der Literatur allerdings kein eigenständiges Konzept eruieren. Offensichtlich handelt es sich hier um gesonderte Benennungen, wie sie in der deutschen Bibliothekslandschaft üblich sind. Dies ist mit der jeweiligen regionalen Historie, in diesem Fall hauptsächlich der Schulgeschichte, zu erklären. Auswirkungen auf die Institution Schulbibliothek haben solche Bezeichnungen offenbar nicht.

Auffällig ist an den hier vorgestellten Definitionsansätzen, dass sie wenig Aussagen zu den pädagogischen Aufgaben und Voraussetzungen treffen. Dies stellt an diese Arbeit eine besondere Herausforderung. Zum einen muss aus den vorhandenen Ansätzen eine mögliche Definition gebildet, zum anderen für einen kaum angesprochenen Bereich ein möglichst großer Diskursraum skizziert werden. Insoweit ist die in der vorliegenden Arbeit verwendete Definition ein notwendiges, aber wenig durch Daten abgesichertes Postulat. Falls die anfänglich geäußerte These stimmt, dass die relative Unbestimmtheit der Institution Schulbibliothek zum Teil eine Folge der unklaren Anforderungen an diese darstellt, könnte sich am Ende dieser Arbeit eine andere mögliche Definition bilden lassen.

Im Folgenden soll deshalb eine Schulbibliothek vor allem – wie es der kleinste gemeinsame Nenner zu sein scheint – verstanden werden als

  • eine in der Schule angesiedelte Institution,
  • die den Lernenden und Lehrenden der jeweiligen Schule den möglichst freien Zugang zu Medien ermöglicht,
  • und als Arbeitsraum zu nutzen ist.

Besondere oder erweiterte Formen müssen, wenn nötig, gesondert bezeichnet werden.

1.2 Zur Situation

1970 wurde die bis heute einzige Studie zur Situation deutscher Schulbibliotheken vorgelegt. [8] Sie wurde bis in die 1990er Jahre hinein als Referenz verwendet und fand keine Nachfolge. Die Zahl der Detailstudien hielt sich in Grenzen. Insoweit kann im nächsten Abschnitt eine Übersicht zum Zustand der Schulbibliotheken in Deutschland nur skizziert werden. Dabei kann auf empirische Daten nicht zurückgegriffen werden, da Schulbibliotheken, nicht zuletzt aufgrund der weiter oben thematisierten fehlenden Definition, in keiner Statistik in einem für die wissenschaftliche Auseinandersetzung ausreichenden Maße aufgeführt sind. Um dennoch Aussagen über die Relevanz dieser Institutionen treffen zu können, wird nach einem gesamtdeutschen Überblick die Situation im Bundesland Berlin gesondert betrachtet. Dabei nimmt Berlin keine besondere Rolle in den Debatten um Schulbibliotheken ein. Dies ist, angesichts der in diesem Teilabschnitt gestellten Frage nach der Situation von Vorteil, da die zumeist in der Literatur betriebene Darstellung von gelungenen Beispielen und Projekten den Blick von der realen Gesamtsituation abzulenken scheint.

1.2.1 Anzahl, Ausstattung und bibliothekarische Unterstützung

1.2.1.1 Infrastruktur in Deutschland

Ein einheitliches Schulbibliothekssystem existiert in Deutschland nicht. Es bestehen keine einheitlichen Regelungen zu Ausstattung, Funktion und Betrieb von Schulbibliotheken, noch irgendwelche unterstützenden Institutionen. Ebenso wenig existieren bundesweite Organisationen von Schulbibliotheken oder dem Personal in Schulbibliotheken. [9] Das ist der von Zeit zu Zeit beklagte Zustand. [10]

Umfassend thematisierte dies in einer Denkschrift Ende der 1980er Jahre zuletzt der Deutsche Bibliotheksverband (1987), welcher auf frühere Beschlüsse der Kultusministerkonferenz und einzelner Landesministerien und -regierungen verwies. Diese hätten, so die Argumentation der Schrift, nichts an der Situation der Schulbibliotheken geändert. Es gäbe keine flächendeckende Versorgung der Schulen mit Bibliotheken und keine klare rechtliche Lage. Ebenso wenig existiere eine konkrete Vorstellung, wie das Personal von Schulbibliotheken einzustellen und zu bezahlen sei. Der Bibliotheksverband erachtet es dennoch für möglich, bis zum Jahre 1997 mindestens 50% aller Schulen der Bundesrepublik mit Schulbibliotheken auszustatten. [11] Das endgültige Ziel sei eine 100%-ige Abdeckung, wie sie in anderen Ländern üblich sei. Notwendig seien zum Erreichen dieser Ziele, neben dem politischen Willen, vor allem:

  • Eine Klärung der Zuständigkeiten zwischen den einzelnen Ministerien, Ämtern, den Länder, Kommunen und dem Bund in Fragen, welche Schulbibliotheken betreffen.
  • Eine Klärung der Finanzierung des Personals. Dieses müsse aus besonders bibliothekarisch geschulten Personen bestehen, deren Schulung in der Fort- und Ausbildung zu verankern sei.
  • Der Ausbau zentraler Einrichtungen für Schulbibliotheken. [12]
  • Die Einbeziehung von Schulbibliotheken und deren Möglichkeit in die Aus- und Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern.

Keine dieser Forderungen wurde erfüllt, lediglich in einigen Bundesländern ließen sich Ansätze einer Diskussion ausmachen. [13]

Stattdessen stellte im Jahr 2000 die seit den 1970er Jahren existierende Beratungsstelle "Schulbibliotheken“ im Deutschen Bibliotheksinstitut (dbi), aufgrund der Abwicklung des Instituts, faktisch ihre Arbeit ein. Drei Jahre später erschien abschließend die letzte größere Publikation dieser Abteilung. [14] Mit dieser Schließung verloren die deutschen Schulbibliotheken ihren einzigen bundesweit agierenden Ansprechpartner. Von 1975 bis 2000 wurde von dieser Stelle die Fachzeitschrift schulbibliothek aktuell herausgegeben. [15] Zudem nahm sie bis 2000 Beratungsleistungen für Schulbibliotheken vor, organisierte Fortbildungen, erhielt den Kontakt zu ähnlichen Institutionen außerhalb Deutschlands aufrecht und versuchte in mehreren Publikationen die schulbibliothekarische Praxis zu unterstützen. Darunter befand sich die 1985 herausgebrachte Kassette Lehrbriefe Schulbibliothek mit 10 Einzelheften. Da es seitdem in Deutschland zu keinen größeren Veröffentlichungen in diesem Themenbereich kam, müssen diese heute noch als Grundlagenmaterial für den Aufbau einer Schulbibliothek angesehen werden. [16]

Kurz vor dem Ende ihrer Arbeit hatte die Stelle eine Datenbank mit den ihnen bekannten Schulbibliotheken im Internet bereitgestellt, zu der fast ein Jahr lang in der schulbibliothek aktuell aufgerufen wurde. Insgesamt wurden dort 589 Bibliotheken zusammengetragen, die im Verhältnis zu den 34308 Schulen in Deutschland, welche das Bundesministerium für Bildung und Forschung für Ende 1999 aufführte, [18] eine Abdeckung von rund 1,7% bedeutete.

Dagegen wird in der ausgewerteten Literatur geschätzt, dass höchstens 10-20% der deutschen Schulen eine kontinuierlich arbeitende Schulbibliothek besitzen. Allerdings ist die Quelle dieser Aussagen nicht ersichtlich. [19] Fakt ist, dass eine Erfassung von Schulbibliotheken nicht existiert.

Als Grund für diesen Zustand wurde in der Vergangenheit oft die föderale Struktur der Bundesrepublik angegeben. Tatsächlich ist die Verteilung und Stellung von Schulbibliotheken in Deutschland regional unterschiedlich. So wurden zu verschiedenen Zeiten in unterschiedlichen Bundesländern Förderprogramme für Schulbibliotheken beschlossen, Vereine gegründet, Kommissionen oder Referate in Ministerien eingerichtet und Publikationen veröffentlicht. Davon haben sich nur wenige erhalten. Tabelle 2 listet die heute bekannten Institutionen auf.

BundeslandUnterstützende Institutionen
Bayernhttp://www.leseforum-bayern.de, betrieben vom Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus
Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung
HessenLandesarbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken in Hessen e. V
Nordrhein-WestfalenLandesarbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken in Nordrhein-Westfalen e.V.
Rheinland-PfalzLIES online – Zeitschrift, herausgegeben vom Landesbibliothekszentrum, offensichtlich 2003 eingestellt
Landesbibliothekszentrum
SaarlandVerbundkatalog Öffentlicher und Schulbibliotheken (geplant)
ThüringenLandesarbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Thüringen [20]
Tabelle 2 Unterstützende Institutionen für Schulbibliotheken in deutschen Bundesländern

Anhand der zitierten Datenbank des dbi lässt sich zudem allgemein eine Differenz zwischen den Bundesländern feststellen. So haben sich in Hessen 92, das heißt rund 4,0% der dortigen Schulen, für diese Datenbank gemeldet, während es in Niedersachsen mit 61 nur 1,8% und in Schleswig-Holstein mit 10 rund 0,8% waren. Dass die Werte in den Ostdeutschen Bundesländern alle niedrig sind, kann mit der Umstellung des Bildungssystems der DDR auf das Westdeutsche zusammenhängen, welches bis 2000 noch nicht zu einer ähnlichen Ausprägung von Schulbibliotheken unterstützenden Institutionen geführt haben könnte. [21] Demgegenüber ist ebenso der Unterschied zwischen den einzelnen westdeutschen Bundesländern signifikant. Gravierend wird der Unterschied bei einem Blick auf die einzelnen Städte. Dort lässt sich oft eine Verdichtung von Schulbibliotheken in einzelnen Orten feststellen. So hat – allerdings ist dies tatsächlich die große Ausnahme in Deutschland – die Schulbibliothekarische Arbeitsstelle in Frankfurt am Main dafür gesorgt, dass 38 von rund 180 Schulen der Stadt, ungefähr 21%, eine Schulbibliothek besitzen. [22] Das heißt gleichzeitig, dass andere Gebiete Hessens wiederum weniger oder gar keine Schulbibliotheken aufweisen. Trotzdem ist Hessen mit seiner seit 1987 aktiven Landesarbeitsgemeinschaft in bibliothekarischen Diskussionen als die Hochburg der Schulbibliotheken bekannt, zu deren regionalen Schulbibliothekstagen hunderte Teilnehmerinnen und Teilnehmer erscheinen. [23] Über eine andere schulbibliothekarische Ballung berichtete, indes schon 1997, Toeppe (1997). Sie hatte bei einer Umfrage im Regierungsbezirk Arnsberg (Nordrhein-Westfalen) eine Quote von 64% gefunden. Allerdings galt bei ihr eine schulische Büchersammlung auch ohne Personal und unabhängig von der Medienanzahl oder anderen Kriterien als Bibliothek, sobald die Schulen auf Anfrage die Existenz einer solchen Kollektion bestätigten. Das gab Toeppe wiederum den Vorteil – gegenüber der Datenbank des dbi, bei der sich die Schulbibliotheken selber eintragen mussten [24] – die breite Varianz der einzelnen Einrichtungen untersuchen zu können. In ihrem Résumée musste sie festhalten, dass bei diesen, trotz der von ihr ermittelten hohen Anzahl, von einer Bibliothek im engeren Sinne nur in wenigen Fällen ausgegangen werden konnte.

In der letzten selbstständigen Ausgabe der Zeitschrift schulbibliothek aktuell wurde eine Tabelle veröffentlicht, die ein weiteres Dilemma offenbart. [25] Es ist nicht einheitlich geregelt, welcher Behörde die Schulbibliotheken unterstehen. Teilweise sind sie den Behörden und Ministerien für Schule oder Bildung zugeordnet, teilweise denen für Jugend oder Kultur. Oft ist dies nicht eindeutig geregelt. In einigen Fällen werden nur für Teilbereiche, wie der Leseförderung oder der baulichen Aufsicht, Behörden als zuständig benannt. In dieser Grauzone bewegen sich in Deutschland nahezu alle Schulbibliotheken.

Ebenso ungeklärt ist die Haltung und Stellung der öffentlichen Bibliotheken zu Schulbibliotheken. In den beiden bisher vorgelegten bundesweiten Bibliotheksentwicklungsplänen werden sie der Stufe 1, bibliothekarische Grundversorgung, zu- oder genauer beigeordnet. Allerdings gibt es dort keine nachvollziehbare Definition. Der Bibliotheksplan '93 bezeichnet sie als "gemeinsame Aufgabe von Diplom-Bibliothekaren und Lehrern.“ [27] Diese Vorstellung deckt sich nicht mit der schulbibliothekarischen Realität [28] und bestimmt nicht, wie eine solche Zusammenarbeit aussehen solle. Schon der Bibliotheksplan '73 hatte ohne Begründung eine bibliothekarische Fachkraft für eine Schulbibliothek vorgesehen. Ein 1988 von der Stadt Berlin (West) in Auftrag gegebene Gutachten, welches einen Bibliotheksentwicklungsplan vorbereiten sollte, enthielt die Vorstellung, eine zentrale Schulbibliothekarische Arbeitsstelle für ganz Berlin einzurichten, um die bis dahin vorhandenen 36 Nebenstellen von Bibliotheken in Schulen zu betreuen. [29] Hier wurde ebenfalls keine weitere Aussage über deren angedachte Funktion und Arbeitsweise getroffen, dafür erhielt gerade dieser Vorschlag von einem Berliner Bibliothekar, welcher sich mit dem gesamten Gutachten auseinandersetzte und diesem eher negativ gegenüberstand, vollkommene Zustimmung. [30] Die Idee wird als eine "alte Forderung der Berliner Bibliothekare“ [31] bezeichnet. Der Thüringer Bibliotheksentwicklungsplan von 1999 nennt Schulbibliotheken im Gegensatz dazu pädagogische Einrichtungen, die "integraler Bestandteil des pädagogischen Konzepts“ [32] der Schulen sein müssten. Trotzdem diese wiederum in das Bibliotheksnetz eingebunden werden sollten, wurde hier – im Gegensatz zu früheren Ansätzen – weniger Wert auf die bibliothekarische Perspektive gelegt.

Ein genereller Anspruch, Schulbibliotheken einzurichten und zu unterhalten besteht nicht. Dies hängt offenbar von den jeweiligen Schulen und Öffentlichen Bibliotheken ab.

An einigen Öffentlichen Bibliotheken wurden, teilweise unter anderen Namen, Schulbibliothekarische Arbeitsstellen eingerichtet. Das Portal schulmediothek.de zählt heute [33] 19 solcher Institutionen auf, in einer Publikation des ekz.bibliotheksservice wurde im Jahr 2000 noch von 32 berichtet. [34] Solche Arbeits- und Kontaktstellen nehmen unterschiedliche Ausgaben wahr und sind dementsprechend unterschiedlich ausgestattet. Ein Teil von ihnen unterstützt den Aufbau und Betrieb von Schulbibliotheken, organisiert die Fortbildungen für deren Personal, führt Veranstaltungen durch und unterhält teilweise selber Schulbibliotheken. Andere Stellen sehen ihre Aufgabe darin, Schulklassen Medien- und Bücherboxen zur Verfügung zu stellen, Exkursionen in Bibliotheken zu organisieren oder allgemeiner die Zusammenarbeit von Schulen und Bibliotheken zu fördern. Insgesamt lassen sich keine verallgemeinbarenden Aussagen über diese Arbeitsstellen treffen. Sie sind zu heterogen und zudem nicht gleichmäßig über das Bundesgebiet verteilt. Die langfristige Aufgabe – welche bei ihrer Einrichtung meist mitgeteilt wurde –, den Aufbau eines bundesweiten Schulbibliothekssystems zu ermöglichen, haben sie nicht umsetzen können. [35]

Im Gegensatz zu anderen Ländern ist in Deutschland kein Berufsbild eines Teaching Librarians [36] entstanden, ebenso wenig wurden die Vorraussetzungen für das haupt-, neben- und ehrenamtliche Personal in Schulbibliotheken geklärt. Nur in Ausnahmefällen findet sich Personal mit einer bibliothekarischen und pädagogischen Ausbildung, zumal in diesen das Thema Schulbibliotheken sehr selten angesprochen wird oder gar im Berufsunterricht verankert ist. [37] So finden sich in Deutschland in den Schulbibliotheken ausgebildete Bibliothekarinnen und Bibliothekare, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und andere ehrenamtliche Helfende. Oft werden die Bibliotheken zusätzlich mithilfe von schulischen Arbeitsgemeinschaften und dem Engagement von Schülerinnen und Schülern betrieben. Fortbildungsveranstaltungen finden nur in einem sehr begrenzten Maß statt.

Dies wirkt sich auf die Ausgestaltung der Bibliotheken aus. Teilweise werden sie nach bibliothekarischen Grundsätzen geführt, oft sind solche Grundsätze überhaupt nicht bekannt. [38] Gleichzeitig haben nur wenige Bibliotheken ein pädagogisches Konzept. Es herrscht eine gewisse Beliebigkeit in Fragen der Ausstattung, des Anspruches und der Arbeitsweise vor, welche nur selten Bezug auf die aktuellen pädagogischen oder bibliothekarischen Debatten zu nehmen scheint. Insoweit wäre es falsch, allgemein von einer Form schulbibliothekarischer Arbeit auszugehen.

Nur in Ausnahmefällen verfügen Schulbibliotheken über einen Erwerbungsetat, zumal einen kontinuierlichen. Insofern gibt es kaum einen geregelten Bestandsaufbau. Die Möglichkeit eines solchen Bestandsaufbaus könnte bei den einzelnen Bibliotheken zu einer Reflexion über das eigenen Leitbild beitragen.

1999, ein Jahr bevor in Deutschland mit dem dbi die zentrale Einrichtung für Schul- und andere Bibliotheken abgeschafft wurde, veröffentlichte die International Federation of Library Associations and Institutions (IFLA) zusammen mit der UNESCO ein School Library Manifesto. [39] In diesem wurde festgestellt, dass jede Schule eine eigene Bibliothek haben solle, da diese den Unterrichtsprozess verbessern, den Lernerfolg erhöhen und zudem die Schülerinnen und Schüler zu kritischem Denken anregen würde. Das Manifest wurde in 33 Sprachen, darunter deutsch, übersetzt und in verschiedenen bibliothekarischen und pädagogischen Zeitschriften nachgedruckt. Es wurde zudem die Hoffnung geäußert, dass dieses Schreiben der zwei internationalen und kompetenten Organisationen die Situation für Schulbibliotheken verbessern würde. Einen Einfluss auf die Entwicklung in Deutschland hatte die Erklärung jedoch nicht. Darin gleicht sie zahlreichen anderen Deklarationen, welche, ohne Geltung zu erlangen, in den letzten Jahrzehnten von nationalen und internationalen Organisationen zum Thema Schulbibliotheken veröffentlicht wurden.

Nach der Auflösung des dbi und der in ihr arbeitenden Beratungsstelle Schulbibliotheken wurde im Deutschen Bibliotheksverband e.V. diese als Kommission für Schulbibliotheken auf niedrigerem Niveau fortgeführt und 2003 faktisch durch die Expertengruppe Zusammenarbeit Bibliothek und Schule ersetzt. Deren Hauptaktivität sind bisher das Betreiben des Informationsportals schulmediothek.de und die Organisation von Fortbildungsveranstaltungen. [40] In anderen bibliothekarischen oder pädagogischen Verbänden bestehen ähnliche Arbeitsgruppen offensichtlich nicht. Insoweit kann von einer kontinuierlichen und breitenwirksamen Vertretung der Interessen von Schulbibliotheken in Deutschland – im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen teilweise eigenständige School Library Associations bestehen – nicht ausgegangen werden.

Letztlich scheinen die einzelnen Schulbibliotheken auf sich allein gestellt oder zumindest nicht in größere Strukturen, die über die regionale Ebene hinausgehen, eingebettet zu sein. Nur in den seltensten Fällen kann eine Schulbibliothek auf eine unterstützende Infrastruktur zurückgreifen. Dass in der International Association of School Librarianship (IASL) einzig die Hessische Landesarbeitgemeinschaft Mitglied ist und das Magazin der IASL, School Libraries Worldwide, nur in einer deutschen Bibliothek nachgewiesen wird, unterstreicht diese Feststellung.

Trotz der offenbar relativ geringen Anzahl haben sich durch diese unbestimmten Verhältnisse, durch Einzelinitiativen und – immer begrenzt wirkende – Projekte unterschiedliche Formen von Schulbibliotheken ausgebildet. Oft werden folgende Formen unterschieden: [41]

  • eigenständige Schulbibliotheken
  • Schulbibliotheken, die zum Teil oder ganz als Zweigstelle einer öffentlichen Bibliothek betrieben werden
  • Bibliotheken in Schulgebäuden, welche gleichzeitig als Öffentliche Bibliotheken der Allgemeinheit zur Verfügung stehen

Diese Einteilung betrachtet einzig die bibliothekarische Differenzierbarkeit der Einrichtungen. Sie ermöglicht unterschiedliche Stufen und Möglichkeiten von schulbibliothekarischen Arbeit wahrzunehmen und als Ergebnis struktureller Unterschiede zu beschreiben. Indes wird diese Beschreibung allein nicht den realen Stellungen von Schulbibliotheken im Schulalltag gerecht. Unter einem pädagogischen Blickwinkel lassen sich Schulbibliotheken wie folgt unterteilen:

  • als Lernraum für Wissen über Bibliotheken und Informationen, deren Nutzung und den Umgang mit ihnen
  • als Unterstützungsinstitution für den Unterricht
  • als Lehr- und Lernraum für Lese- und Sprachfähigkeiten, vor allem für den Deutschunterricht und die anderen Sprachenfächer
  • als besonderen Lehrraum für unterschiedliche Unterrichtsfächer
  • als Freizeitraum für Lernende

Die jeweilige Vorstellung von Schulbibliotheken und ihren Möglichkeiten, so eine weitere These die hier vertreten wird, schlägt sich im Aufbau, den Anforderungen an und der Stellung von Schulbibliotheken nieder. Ebenso in der Haltung der Lehrenden und anderer für die jeweiligen Schulen Verantwortlicher gegenüber den einzelnen Bibliotheken.

Ein weiteres Charakteristikum des deutschen Bildungswesens ist die praktische Nichtexistenz von Bibliotheken in den Curricula der Schulen. In den meisten Bundesländern wird in den Lehrplänen die Arbeit in Bibliotheken nicht erwähnt. In einigen Bundesländern wurde für die höheren Klassen eine Facharbeit zur Pflicht gemacht, deren Erstellung die Benutzung von Bibliotheken vorsieht. In Thüringen existiert seit 1999/2000 das Seminarfach Unterricht in Bibliotheken. [42] Allerdings beziehen sich diese Anforderungen zumeist nur auf die gymnasialen Klassen der Sekundarstufe II. Das heißt, dass alle Schülerinnen und Schüler, die nicht diese Klassen besuchen, auch in diesen Bundesländern keine im Unterrichtsplan geregelte Einführung in die Arbeit mit Bibliotheken erhalten. Zudem wurde offenbar bei der Einrichtung solcher Pläne vor allem an die größeren öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken gedacht und weniger an Schulbibliotheken. Zumindest verzeichnete die Literatur kein signifikantes Wachstum solcher Institutionen in Folge einer curricularen Festschreibung von Bibliotheksbenutzung, wie dies vermutet werden könnte. [43]

1.2.1.2 Berlin als Beispiel

Berlin hat als Stadtstaat in seinen zwölf Bezirken jeweils unterschiedliche Bibliothekssysteme. Diese sind teilweise strikt zentral, teilweise eher dezentral organisiert. Eine Zusammenarbeit findet nur ansatzweise statt, die zentralen Dienstleistungen werden in den Bezirken jeweils unterschiedlich organisiert. Zudem ist die Stellung der Bibliotheken in den einzelnen Bezirken nicht einheitlich. Alle haben in den letzten Jahren einen Rückbau hinnehmen müssen, gleichwohl fiel dieser unterschiedlich stark aus. Überdies existiert in der Zentralen Landesbibliothek mit ihren drei Häusern eine Art dreizehnte Bezirksbibliothek, welche direkt der Stadt Berlin unterstellt ist und die Aufgaben einer Landesbibliothek, vor allem hinsichtlich der Pflichtexemplare und der Sammlung von Literatur aus und über Berlin, wahrnimmt.

Alle Ansätze, diese Struktur zu verändern, haben bislang zu keinem Ergebnis geführt. [44] Dazu zählt die Idee einer Gesamtberliner Bibliotheksstiftung. Einzig die Bezirksreform 2000/2001, welche die 23 Bezirke Berlins zu jetzt 12 zusammenlegte, veränderte diese Strukturen. [45] Es existiert für die 12 Bezirksbibliothekssysteme eine Berliner Systematik, welche allerdings seit einigen Jahren nicht mehr kontinuierlich gepflegt wird. Deshalb gibt es von Bezirk zu Bezirk, teilweise innerhalb der Bezirke, Variationen. Trotzdem sind alle Bibliotheken am Verbund der Öffentlichen Bibliotheken Berlins beteiligt und verzeichnen ihre Medien in dessen Katalog. Überdies existieren ein berlinweiter Ausleihdienst und der Versuch aller Bibliotheken, das gleiche Corporate Design zu verwenden.

Eine gemeinsame schulbibliothekarische Arbeit findet nicht statt. Die Einrichtung einer zentralen Schulbibliothekarischen Arbeitsstelle, die in früheren Jahren angedacht war, wurde nie vollzogen. Dafür gab es eine regional arbeitende im ehemaligen Bezirk Wedding. Diese hat ihre Arbeit praktisch eingestellt. Lässt man die in allen bezirklichen Bibliothekssystemen bereitgehaltenen Medien- und Bücherboxen für Schulen sowie die Führungen für Schulklassen außer Acht, so ergibt sich für die Frage, welche Unterstützung von Berliner Bibliotheken für Schulen geleistet wird, dass in Tabelle 3 dargestellte Ergebnis. Lediglich in Marzahn-Hellersdorf findet sich eine Kontaktstelle für Schulen und insgesamt unterhalten fünf Bezirke Fahrbibliotheken, von denen sich allerdings nur die im Bezirk Mitte ausschließlich um Schulen kümmert.

In der gleichen Tabelle wird eine weitere Schwierigkeit ersichtlich, die schon im Abschnitt zum bundesweiten Status quo thematisiert wurde. Die Zuordnung der Bibliotheksämter ist nicht einheitlich geregelt. Da allerdings die einzelnen Stadtbezirke die Träger der Bibliothekssysteme sind, ist diese unterschiedliche Zuordnung relevant. Interessant im Hinblick auf Schulbibliotheken ist zudem, dass in 8 von 12 Bezirken das jeweilige Schulamt derselben Abteilung untersteht wie die Bibliotheken. Eine solche institutionelle Beiordnung soll allgemein die Wahrscheinlichkeit einer Kooperation erhöhen. [46]

BezirkBibliotheksamt untersteht folgender AbteilungBibliotheken und Schulen in der gleichen AbteilungSchulbibliotheken / ähnliche Projekte für Schulen
Charlottenburg-WilmersdorfAbteilung Wirtschaft, Liegenschaften, Organisation und BibliothekenNein
Friedrichshain-KreuzbergAbteilung Bildung, Verwaltung und OrganisationJa
LichtenbergAbteilung Personal, Finanzen und KulturNein
Marzahn-HellersdorfAbteilung Bildung, Kultur und SportJaKontaktstelle für Schulen
MitteBibliotheks- und Kulturamt Berlin MitteNeinFahrbibliotheken (für alle Grundschulen)
NeuköllnAbteilung Bildung, Schule und KulturJaFahrbibliothek (nicht nur für Schulen)
PankowAbteilung Kultur, Wirtschaft und öffentliche OrdnungNein
ReinickendorfAbteilung BildungJa
SpandauAbteilung Bildung, Kultur und SportJaFahrbibliothek (nicht nur Schulen)
Steglitz-ZehlendorfAbteilung Bildung, Kultur, Sport und BürgerdiensteJaFahrbibliothek (nicht nur Schulen)
Tempelhof-SchönebergAbteilung Schule, Bildung und KulturJaFahrbibliothek (nicht nur Schulen)
Treptow-KöpenickAbteilung Bildung, Kultur und SchuleJa
8 von 121 Kontaktstelle für Schulen5 Fahrbibliotheken, davon eine nur für Schulen
Zentral- und Landesbibliothek BerlinSenatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und KulturNein
Tabelle 3 Berliner Bezirke und Bibliothekssysteme

Keine der Stadtbezirksbibliotheken berichtet von einem ausgebauten Schulbibliothekssystem, nur in Einzelfällen sind Bibliotheken zusammen mit Schulen in einem Gebäude untergebracht. Obschon sich Hinweise darauf finden lassen, dass es Anstrengungen gab, weit mehr Schulbibliotheken als heute vorhanden sind, zu begründen und zu unterhalten, haben sich diese offensichtlich nicht bis heute etablieren oder erhalten können.

Im Berliner Bibliotheksentwicklungsplan, der 1988 nach längerer Debatte vorgelegt und 1990 für die Bibliotheken in Berlin-Ost ergänzt wurde, wird von folgenden Zahlen als Ist-Zustand ausgegangen:

  • 35 Nebenstellen von Stadtbüchereien, die sich in Grundschulen befinden und nur schulintern genutzt werden können (Stand 1989).
  • 13 Mediotheken in Mittel- und Oberstufenzentren, davon 9 als kombinierte Schul- und Öffentliche Bibliotheken (Stand: 1990, 1988 waren es noch 15 Mediotheken).
  • Eine Anzahl von schulinternen Bibliotheken in berufsbezogenen Oberstufenzentren, die nicht genau beziffert werden. [47]

Geplant war, bis 1998 alle Schulmediotheken in Schul- und Bildungszentren als Öffentliche Bibliotheken zugänglich zu machen. Zudem sollte jede Schule mit mehr als 800 Lernenden eine eigene Schulbibliothek erhalten und die restlichen Schulen von den Stadtteilbibliotheken mitbetreut werden. Schließlich wurden die Aufgabenbereiche einer Schulbibliothekarischen Arbeitstelle, welche in der damaligen zentralen Landesbibliothek, der Amerika Gedenkbibliothek, geplant war, umrissen. Angedacht war, dort die Rahmenbedingungen und Standards für schulbibliothekarische Arbeiten zu entwickeln, Arbeitshilfen für die Verwaltung und Organisation von Schulbibliotheken herauszugeben, die Sammlung und Auswertung von relevanten Materialien vornehmen, Hilfen zum Bestandsaufbau zu leisten, unterrichtsunterstützende Materialien herstellen sowie zentral eine Sammlung von Klassensätzen unterschiedlicher Medien aufzubauen und zu betreuen.

Desweiteren wurden Mindeststandards festgelegt: eine Bibliothek sollte mindestens 830 qm Fläche zur Verfügung haben, sich in der untersten Etage der Schulgebäude befinden, flexibel zu handhaben und mit einem enthinderten Zugang ausgestattet sein. Baulich sollte die Lösung so angelegt sein, dass sie zusätzlich außerhalb der Schulzeiten eine Nutzung der Bibliothek ermögliche. Vorgesehen war außerdem eine Anbindung der Schulen an das EDV-Netz und den Leihverkehr der Öffentlichen Bibliotheken, eine Öffnungszeit von minimal 25 Wochenstunden an insgesamt fünf Wochentagen, vier PC-Arbeitsplätze sowie in den Berufzentren ein Informationsarbeitsplatz für Angebote des Arbeitsamtes. Zum Personal und Mindestbestand wurden folgende Kennzahlen festgesetzt:

  • Minimal 25.000 Medieneinheiten pro Schule, davon 10% Non-Book-Medien. Für diese Non-Book-Medien sollten zudem Abspielgeräte bereitgehalten werden.
  • In der Sekundarstufe I (7. bis 10. Klasse):
  • 5-8 unterrichtsbegleitende Medieneinheiten pro Lehrende und Lernende
  • 5 freizeitbegleitende Medieneinheiten pro Lernende
  • 40-60 laufend gehaltene Zeitschriften
  • In der Sekundarstufe II (11.-13. Klasse):
  • 3-5 unterrichtsbegleitende Medieneinheiten pro Lehrende und Lernende
  • 5 freizeitbegleitende Medieneinheiten pro Lernende
  • 10-20 laufend gehaltene Zeitschriften [48]
  • Personal (mindestens): 1 Stelle für eine/n Bibliothekar/in, 0,5 Stellen für eine/n Bibliotheks-Assistent/in, 0,5 Stellen für eine/n Bibliotheks-Angestellte/n

Diese relativ großzügige Zumessung wurde, ebenso wie die anderen Pläne des Bibliotheksplanes, nie umgesetzt. Dennoch existieren einige Schulbibliotheken, obwohl hierzu keine Statistik vorliegt. Die in Tabelle 4 vorgelegten Werte basieren auf einer eigenen Recherche, bei der jede in Berlin zu findende Schulhomepage sowohl intellektuell, als auch mittels zweier Suchmaschinen durchgesehen wurde. Anschließend wurden die Seiten aller Berliner Öffentlichen Bibliotheken und Bibliotheksämter nach Hinweisen auf weitere Schulbibliotheken durchsucht. Diese Ergebnisse wurden wiederum mit in der Literatur dokumentierten Schulbibliotheken kulminiert.

Zwei Aussagen sind anhand dieser Zahlen möglich:

  1. Der Anteil der Schulbibliotheken in Berlin liegt signifikant unter den in der Literatur für Deutschland geschätzten 10-20% aller Schulen.
  2. Auffällig ist die Verteilung der Bibliotheken innerhalb der Schulformen. Lernende, welche innerhalb des differenzierten Schulsystems in Deutschland mit den besten Bildungschancen versorgt werden, haben offenbar eine höhere Chance auf eine Schulbibliothek zurückgreifen zu können. [49]

Eine Vereinigung von Schulbibliotheken existiert in Berlin nicht. Soweit ersichtlich, wird ein Großteil dieser Einrichtungen durch ehrenamtliche Arbeit oder von Lehrpersonal aufrechterhalten. Bibliothekarinnen oder Bibliothekare werden nur selten erwähnt. In einigen Fällen wird die Größe der Bibliothek betont, in anderen die Möglichkeit, Medien auszuleihen oder in wenigen Bibliotheken der Vorteil diese Einrichtungen vor Ort nutzen zu können. Zur Aufstellung werden kaum Aussagen getroffen. Wenn, dann wurde die Aufstellung nach Interessensgruppen vorgenommen. Das bedeutet, dass eigenständige Systematiken erstellt wurden, die sich nach den Ansprüchen der Lernenden oder nach dem Bestand richteten. Der überwiegende Teil dieser Einrichtungen ist vom Berliner Bibliothekssystem unabhängig. Von einer Zusammenarbeit wird nicht berichtet und offenbar bieten nur in Ausnahmefällen Schulbibliotheken eine Ausleihe aus dem Berliner Verbund an. Aus bibliothekarischer Sicht sind nahezu alle diese Einrichtungen nicht als Bibliotheken zu bezeichnen.

Anzahl in Berlin [50] Mit Bibliothek (nach Eigenangabe)% Anteil von Schulen mit Bibliothek (Eigenangabe)Mit Bibliothek (nach Bewertung) [51]% Anteil von Schulen mit Bibliothek (nach Bewertung)
Grundschulen447398,3235,1
Hauptschulen6011,700
Realschulen8322,400
Gymnasien1223024,61613,1
Gesamtschulen7179,957,0
Sonderschulen950000
Oberstufenzentren und Berufsschulen198136,6105,1
[Sonstige] [52]-1-1-
Gesamt [53]1076928,6555,1
Gesamt ohne Oberstufenzentren, Berufsschulen und Sonstige878788,9455,1
Tabelle 4 Schulen und Schulbibliotheken in Berlin

Pädagogisch werden die meisten Bibliotheken offenbar kaum genutzt. Es fanden sich auf den Homepages nur einige Lese-Arbeitsgemeinschaften ausgewiesen. Zwei bezeichnende Ausnahmen finden sich in der John F. Kennedy Gesamtschule und der Johann Peter Hebel Grundschule. Erste arbeitet als bilinguale Schule und versucht, das US-amerikanische und das deutschen Bildungssystem in einer Schule zu vereinen. Deshalb wurde hier die Einrichtung eines US-amerikanischen School Library Media Center aus den USA übernommen. Die zweite ist unter anderem mit einer Infolabor ausgestattet, welches nach dem Vorbild solcher School Library Media Centers einen Medienbestand mit einer technischen Infrastruktur und speziellen Unterrichtseinheiten in dieser Einrichtung verbindet. In den 1990er Jahre wurde es von einem arbeitslosen Bibliothekar aus den USA begründet, dessen Kind diese Schule besuchte. Er berichtet davon, dass er negativ überrascht war, festzustellen, dass es keine Schulbibliothek gab und diese deshalb ehrenamtlich aufbaute und betreute. [54]

In Busch (2003) wurde über das Projekt "Von der Schulbibliothek zum multimedialen Schulwissenszentrum“ berichtet, welches ein Vertreter der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport vorstellte. Neben dieser Erwähnung fand sich in Berlin in den letzten Jahren allerdings keine breiter angelegte Initiative für Schulbibliotheken. Mit Ausnahme der Kontaktstelle für Schulen in Marzahn-Hellersdorf [55] gab es offenbar von Seiten der Bibliotheken keine größeren Anstrengungen zur Neueinrichtung oder Ausgestaltung der vorhandenen Schulbibliotheken. Ebensowenig haben sich die LandesschülerInnenvertretung oder die Landeselternvertretung zu Schulbibliotheken geäußert. Allein die GEW, als Gewerkschaft der Lehrenden, wies in einigen Artikeln auf den desolaten Zustand und die Gefahr eines weiteren Abbaus von Büchereien in Schulen hin. Dem stehen allerdings keine Äußerungen der Gewerkschaft Ver.di, in der sich unter anderem die Angestellten in Bibliotheken organisieren können, der Regionalverbände der Interessensvertretungsvereine von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren sowie der pädagogischen Vereinigungen gegenüber.

Insgesamt lässt sich die Situation der Schulbibliotheken in Berlin als schlecht beschreiben. Es gibt eine Stagnation. Die vorhandenen Einrichtungen werden größtenteils durch ehrenamtliche Arbeit aufrechterhalten. Tendenzen zur stärkeren Zusammenarbeit, einer Vernetzung oder der gemeinsamen Klärung der Frage, was Schulbibliotheken sein sollen und wofür sie benötigt werden, sind nicht zu erkennen. Es scheint für Lernende zu einem großen Teil Zufall zu sein, wenn sie auf Schulbibliotheken zurückgreifen können wobei ihre Chance, dies zu tun mit dem eigenen Bildungserfolg – das heißt vor allem dem Besuch eines Gymnasiums – offenbar steigt. [56]

1.2.2 Das PISA-Argument und die internationale Situation von Schulbibliotheken

1.2.2.1 Die PISA-Studien

Deutschland nahm aufgrund eines Beschlusses der Kultusministerkonferenz im Jahr 2000 an der ersten von vorläufig drei Phasen des PISA-Tests [57] teil. Diese, von der OECD angeregte, Testreihe soll den teilnehmenden Staaten Instrumente und Daten zur internationalen Vergleichbarkeit ihrer Schulsysteme zur Verfügung stellen. Zusammen mit der IGLU-Studie, welche die Lesefähigkeiten der Schülerinnen und Schüler in Grundschulen überprüfte, waren die PISA-Studien der erste größere internationale Vergleich, dem das deutsche Bildungssystem seit den 1970er Jahren unterworfen wurde.

PISA orientiert sich dabei nicht an den einzelnen Curricula und überprüft deshalb nicht, inwieweit die Schülerinnen und Schüler den vorgegebenen Lehrstoff verarbeit haben, sondern formuliert für 2000 drei und für 2003 vier Kompetenzbereiche, in denen die Lernenden geprüft wurden. [58] Dabei ist die Ausrichtung dieser Kompetenzen auf den möglichen Erfolg auf dem Arbeitsmarkt in allen Texten des Konsortiums klar benannt. In einer immer wieder in unterschiedlichen Varianten in den Auswertungsbänden publizierten Tabelle zum "Überblick über die Testkonzeptionen“ werden beispielsweise als die drei getesteten Situationen zum Umgang mit Texten der private Umgang (einen Brief schreiben), der öffentliche Umgang (das Lesen und Verstehen eines öffentlichen Dokuments) und die berufliche Qualifikation genannt. Auch in den anderen Bereichen ist die Testkonzeption immer darauf ausgerichtet, inwieweit die getesteten 15-jährigen sich auf dem modernen Arbeitsmarkt durchsetzen werden können. [59] Dieses Vorgehen hat zwei Gründe. Zum einen ist die OECD als wirtschafts-orientierte Organisation vorrangig an diesem Thema interessiert. Zum anderen ließ sich so das Problem lösen, die unterschiedlichen Leistungen der Bildungssysteme vergleichbar zu machen. In der deutschen Diskussion um die Ergebnisse der PISA-Studien herrschte dagegen oft die Meinung vor, dass hier die gesamte Bildungsleistung der Schulsysteme überprüft worden wäre. Dabei lässt sich mit dem PISA-Test keine Antwort auf die Frage geben, inwieweit den überprüften Schülerinnen und Schülern zum Beispiel die Literatur- und Kunstgeschichte bekannt sei. [60]

In den – nach der durchschnittlichen in den Tests erreichten Punktzahl geordneten – Tabellen belegte Deutschland in der ersten Studie zweimal den zwanzigsten und einmal den einundzwanzigsten Platz der 30 bewerteten Länder. Dies wurde in der öffentlichen Diskussion als schlechtes Ergebnis gewertet. Dabei wurde mehrfach und eindrücklich in den wissenschaftlichen Auswertungen des Testes darauf hingewiesen, dass diese Listen nicht als Ranglisten verstanden werden sollten. [61] PISA selber interessierte sich dafür, ob die Ergebnisse der Bildungssysteme der einzelnen Staaten relevant über, im oder relevant unter dem Durchschnitt der OECD-Staaten einzuordnen waren. Die genaueren Werte werden erst zusammen mit den Ergebnissen der PISA-Tests 2003 und 2006 eine Bedeutung erlangen, da erst durch diese Aussagen über die Entwicklungstendenzen der Bildungssysteme getroffen werden können. Dieser Hinweis wurde in der Öffentlichkeit weitgehend ignoriert, genauso wie die ausführlichen Darstellungen des Zustandekommens der einzelnen Werte. [62]

Dabei fielen die Ergebnisse der besten Schülerinnen und Schüler in Deutschland überdurchschnittlich gut aus. Das hauptsächliche Problem des deutschen Bildungssystems, welches durch die PISA-Studien offenbart wurde, besteht in der großen Streuung der Lernergebnisse sowie in der engen Kohärenz zwischen der ökonomisch-sozialen Lage der Lernenden und deren Schulergebnissen. Zudem ist diese soziale Lage in Deutschland eng mit dem Migrationsstatus der jeweiligen Familien verknüpft. [63] Kinder und Jugendliche aus reichen Familien haben nach diesen Ergebnissen eine signifikant höhere Chance, als Kinder aus Mittelstandfamilien, sich nach dem Schulabschluss erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten. Letztere sind wiederum mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreicher als Schülerinnen und Schüler aus armen Familien. Dieser Verknüpfung ist in fast keinem anderen getesteten Land so stark ausgeprägt. Ebenso ist der Zusammenhang zwischen dem Migrationshintergrund, der ökonomischer Schwäche der Familien und schlechten Bildungserfolgen nur noch in Belgien ähnlich eng. [64] Insoweit ergab die PISA-Studie vor allem, dass das deutsche Bildungssystem ungerechter ist, als die Bildungssysteme anderer Staaten. Allerdings kam dieser, in den Auswertungsbänden wiederholt betonte Zustand, erst in der Diskussion der zweiten PISA-Studie zu einer breiteren öffentlichen Diskussion. Vorrangig beschäftigten sich sowohl die politischen und journalistischen Akteure als auch Pädagoginnen und Pädagogen mit Vorschlägen zur Steigerung der durchschnittlichen Ergebnisse und nicht mit einer Verbesserung der Chancengleichheit.

1.2.2.2 Diskussionen um Schulbibliotheken im Zusammenhang mit den PISA-Studien

Schulbibliotheken wurden in den Diskussionen um die Ergebnisse der PISA-Studien und ihren möglichen Konsequenzen nicht thematisiert. Es wurde in den Studien an einem Punkt zwar nach ihrer Existenz, aber nicht nach deren Zustand, Ausstattung oder der Nutzung im Unterricht und in der Freizeit gefragt. Dafür wurde in Teilen der bibliothekarischen Publikationen relativ schnell die Überzeugung vertreten, dass Schulbibliotheken dazu beitragen könnten, die Ergebnisse der folgenden PISA-Studien und damit die Qualität der Bildung an deutschen Schulen zu erhöhen. [65]

Dabei wurde ignoriert, dass das Hauptproblem des deutschen Schulsystems, welches durch die PISA-Studien aufgezeigt wurde, die Chancenungleichheit darstellt. Schulbibliotheken wurden als Instrument angesehen, vor allem die Lesefähigkeit und ferner die Informationskompetenz der Kinder und Jugendlichen zu erhöhen. Hingegen wurde nicht thematisiert, dass die in der PISA-Studie abgefragte Lesekompentenz nicht deckungsgleich ist mit der Lesefähigkeit, für die Schulbibliotheken bis dahin als Lehrinstrument gegolten hatten. [66] In einem Artikel polemisiert Detlef Gaus (2005) gegen diesen Konsens. Schulbibliotheken, so behauptet er, werden von einigen Bibliothekarinnen und Bibliothekaren als Wundermittel zur Steigerung der PISA-Ergebnisse angepriesen, wobei die Ansätze und Diskussionen der letzten Jahrzehnte über die möglichen Funktionen von Bibliotheken sowie die Differenz zwischen den in den Studien gemessenen Werten und den bisher in Deutschland prägenden Bildungsvorstellungen ignoriert werden. Bibliotheken, und damit insbesondere Schulbibliotheken, würden in diesen Debatten nicht mehr als Bildungseinrichtungen, sondern als Instrumente zur besseren beruflichen Vermarktung der Subjekte konzipiert. Er sieht diese Entwicklung als unumkehrbar an, möchte sie allerdings offen thematisiert und nicht, wie seiner Meinung nach bisher geschehen, nur verdeckt eingeführt wissen.

Dabei bezieht er sich stark auf einen Artikel von Birgit Dankert (2003), in welchem sie die These aufstellt, dass Schulbibliotheken nicht in der PISA-Studie thematisiert wurden, weil deren Existenz vorausgesetzt würde. Sie bezieht sich auf die Situation in skandinavischen und englischsprachigen Ländern, in welchen interne Bibliotheken zum Schulalltag gehörten. Ihr Hauptargument ist, dass die in den PISA-Studien bestplatzierten Staaten allesamt mit einem guten Schulbibliothekssystem ausgestattet seien. Diese Argumentation findet sich in weiteren Texten wieder. Ballenthin (2003) bespricht aus diesem Grund in ihrer Diplomarbeit die Schulbibliothekssysteme in Finnland, Großbritannien und Österreich, um sie der deutschen Situation gegenüberzustellen. Ihre Auswahl begründet sie nicht. Paul und Rabe (2005b) besprechen ebenso ohne nähere Begründung eine Anzahl von Schulbibliothekssystemen und argumentieren anschließend mit dem schlechten Abschneiden Deutschlands in den PISA-Studien für Schulbibliotheken. [67]

Die Inkonsistenz ist bei dieser Argumentation auffällig. So wird nicht reflektiert, ob Schulen und Schulbibliotheken überhaupt vorrangig für bessere PISA-Ergebnisse eingesetzt oder ob sie andere Fähigkeiten fördern sollten. Zudem werden die durch PISA aufgezeigten Probleme größtenteils auf die mangelnde Lesekompetenz reduziert. Einzig Paul und Rabe (2005b) bemerken, dass auch Länder mit einem guten Schulbibliothekssystem, wie die USA, in den PISA-Studien schlechte Ergebnisse erzielten. [68] Zudem ist nicht geklärt, was ein gutes Schulbibliothekssystem eigentlich ausmacht.

Tabelle 5 stellt die Ergebnisse in den PISA-Studien den jeweiligen Schulbibliothekssystemen der getesteten Ländern gegenüber. Dabei sind bei den Ergebnissen der PISA-Studie und den Schulbibliothekssystemen neue Skalen eingeführt worden, welche in den Fußnoten erläutert werden. Geordnet ist die Tabelle nach den Ergebnissen der PISA-Studie 2003.

TeilnehmerstaatenPISA 2000 [69]PISA 2003Schulbibliothekssystem [70]
Australien33++
Finnland33+/++
Kanada33++
Neuseeland33++
Süd-Korea33++ [71]
Belgien (PISA 2000: nur fr. sprachiger Teil)23--/-
Niederlande (Daten nur PISA 2003)3--/-
Japan32--
Schweden320
Schweiz22--
Frankreich12+/++
Tschechische Republik02-/+
Irland21
Island21-
Deutschland-31--
Dänemark00+/++
Österreich3-10
Norwegen0-1++
Polen-3-1+
Slowakische Republik (nur PISA 2003)-1++
USA0-2++
Ungarn-2-2+
Griechenland-3-3--
Italien-3-3
Luxemburg-3-3--
Mexiko-3-3--
Portugal-3v-3-/0
Spanien-3-3--
Türkei (nur PISA 2003)-3++/+
Vereinigtes Königreich (nur PISA 2000)3++
Liechtenstein (nur PISA 2000)-1--
Brasilien (nur PISA 2000)-3-/0
Lettland (nur PISA 2000)-3++
Russische Föderation (nur PISA 2000)-3+/++
Tabelle 5 PISA-Ergebnisse und Schulbibliothekssysteme

Mit diesen Ergebnisse lassen sich mehrere Schwachstellen der Argumentationen für Schulbibliotheken mithilfe der PISA-Ergebnisse aufzeigen. So fällt auf, dass es nur einige Staaten gibt, welche ähnlich wie Deutschland über kein funktionierendes Schulbibliothekssystem verfügen. Zudem lässt sich feststellen, dass sowohl Staaten mit besseren, als auch mit schlechten Ergebnissen als Deutschland über gute und sehr gute Schulbibliothekssysteme verfügen. Ebenso existieren mit Japan, der Schweiz, den Niederlanden, Belgien und mit Einschränkungen Süd-Korea einige Staaten ohne funktionierendes Schulbibliothekssystem, welche besser als Deutschland eingeordnet wurden. Eine Korrelation zwischen einem guten Schulbibliothekssystem und guten PISA-Ergebnisse lässt sich deshalb nicht feststellen. In diesem Zusammenhang ist es ist auffällig, dass Deutschland sein Ergebnis signifikant verbessern konnte, ohne Schulbibliotheken aufzubauen.

Richtig ist hingegen, dass die fünf Staaten, deren Werte sich konstant über dem OECD-Durchschnitt bewegten, mit guten Schulbibliothekssystemen ausgestattet sind. [72] Hierauf basiert der mehrfach angestellte Versuch, vor allem die finnische Situation als politische Begründung für den Aufbau von Schulbibliotheken in Deutschland heranzuziehen. Andererseits ist dies kein Beweis. Es lässt sich auf der Grundlage der PISA-Studien und der in Tabelle 5 vorgelegten Ergebnisse ebenso die These aufstellen, dass eine allgemein mehr an Bildung und Chancengleichheit orientierte Gesellschaft zu besseren Ergebnisse in den PISA-Studien beiträgt. Diese Bildungsorientierung könnte sich in der Unterhaltung eines Schulbibliothekssystems niedergeschlagen haben.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind Schulbibliotheken nicht in dem Maße, wie teilweise suggeriert wird, an den PISA-Ergebnissen beteiligt. Solange nicht geklärt ist, welche Bildung in den Schulen zu welchem Zweck vermittelt werden soll, spricht dies zwar nicht zwangsläufig gegen Schulbibliotheken. Dennoch können offenbar auch Bildungssysteme ohne Schulbibliothekssysteme zu relativ guten Ergebnissen in den PISA-Studien führen, wie die Beispiele Niederlande, Belgien, Japan und Schweiz zeigen.

Freilich ist die hier überprüfte Diskussion innerhalb eines sehr kleinen Kreises geführt worden. Über allgemein gehaltene Aussagen kamen die Vorstellungen, was die PISA-Ergebnisse in dieser Frage bedeuten würden, nicht hinaus. [73]

1.2.3 Ansätze von Kommunikation und Forschung

Ebenso wie es in Deutschland kaum eine Infrastruktur für Schulbibliotheken gibt, existieren kaum Forschungen oder Publikationen zu Schulbibliotheken. Nicht zuletzt dies unterscheidet Deutschland von anderen Ländern. Die wenigen Veröffentlichungen sind relativ undifferenziert, was wiederum mit ihrer geringen Zahl zu begründen ist, welche es notwendig macht, beständig die Grundlagen zu erläutern. Insoweit sind Monographien über enger gefasste Themen als Schulbibliothek im Allgemeinen nicht zu erwarten. Trotzdem soll hier ein Überblick der Forschungsliteratur und der vorhandenen Kommunikationsstrukturen gegeben werden. Dabei wird deutlich werden, dass dies trotz der relativen Isolation der einzelnen Schulbibliotheken und ihrer schwierigen Position kein Neuland ist. Es wird zu fragen sein, warum die bestehenden Möglichkeiten zur Kommunikation in der schulbibliothekarischen Praxis offenbar wenig genutzt werden.

1.2.3.1 Schulbibliothek aktuell, schulmediothek.de und weitere Publikationen im Bereich Schulbibliotheken

Die wichtigste Publikation für Schulbibliotheken war die bereits erwähnte, viermal jährlich erschienene schulbibliothek aktuell. Diese wurde mit der Schließung ihres Trägers, des dbi, als Rubrik in die Zeitschrift Beiträge Jugendliteratur und Medien überführt. Bis dahin hatte sich ihre Berichterstattung weniger auf wissenschaftliche Berichte, als vielmehr auf Reportagen aus funktionierenden Schulbibliotheken, Überblicksdarstellungen von Schulbibliothekssystemen anderer Länder, Kurzberichte von politischen Entscheidungen und Gründungen von schulbibliothekarischen Vereinigungen konzentriert. Daneben dominierten Darstellungen ausgewählter Projekte in Schulbibliotheken den Hauptteil der Zeitschrift. [74] Im abschließenden Teil jeder Ausgabe wurden relevante Texte anderer Publikationen bibliographiert. Die Redaktion hatte offensichtlich weniger einen wissenschaftlichen als einen alltagspraktischen Anspruch.

Diese Richtung wurde ebenso in den folgenden Jahren in den Beiträgen Jugendliteratur und Medien verfolgt, obwohl sich eine leichte Verschiebung zur Darstellung wissenschaftlicher Ergebnisse konstatieren lässt. Der nach der Zusammenführung der beiden Zeitschriften teilweise erhoffte Effekt, mit einer bibliothekarisch betreuten Rubrik in einer vorrangig pädagogischen Zeitschrift eine Verbindung zwischen den beiden Gruppen herzustellen, ist nicht eingetreten. [75]

Eine Publikation mit ähnlichem Profil war die 1998-2003 im Auftrag des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung des Landes Rheinland-Pfalz herausgegebene LIES. Sie war hingegen vorrangig auf ein Bundesland zugeschnitten und berichtete deshalb vor allem regionalspezifisch. Ein weit reichendes Kommunikationsnetzwerk, zumal über die Landesgrenzen hinaus, ist durch diese Zeitschrift nicht entstanden.

Eine wissenschaftliche Zeitschrift zur Thematik Schulbibliotheken im deutschsprachigen Raum existierte bisher nicht. Studien wurden, auch zur Zeit der schulbibliothek aktuell als eigenständiger Zeitschrift, vorrangig in den bibliothekarischen Fachzeitschriften veröffentlicht. Dabei lässt sich allerdings keine Präferenz für eine bestimmte Publikation ausmachen. Insgesamt ist die Zahl dieser Schriften relativ gering. Es handelt sich um höchstens 10 Texte pro Jahr, welche zudem zu einem großen Teil von einer relativ kleinen Gruppe Engagierter geschrieben werden.

Bezeichnend ist, dass sich Veröffentlichungen zu Schulbibliotheken in Deutschland nicht selber tragen. Es bedurfte stets der Herausgeberschaft einer größeren Institution, die zur Kostendeckung benötigt wurde.

In pädagogischen Zeitschriften finden sich weniger Texte zu diesem Bereich, obwohl in dieser Disziplin deutlich mehr Zeitschriften erscheinen, als auf bibliothekarischen Gebieten. Wenn sich in diesen Veröffentlichungen nicht zu rechtlichen und kommunal-politischen Belangen geäußert wird, werden hier ebenso zu großem Teil Einzelprojekte beschrieben. Vorrangig handelt es sich dabei um Projekte der Leseförderung, die Schulbibliotheken als Ort des Lesens und Kennenlernens von Büchern präsentieren. Auffällig ist hierbei, dass sich die Beiträge der letzten Jahre vorrangig in Zeitschriften für den Grundschulbereich fanden. Obwohl die meisten Schulbibliotheken offenbar von Lehrkräften betrieben werden, gibt es darüber hinaus keine anderen identifizierbaren Strukturen der Kommunikation zwischen ihnen, als diese Artikel.

Hervorzuheben ist, dass es keine Interdependenzen zwischen pädagogischen und bibliothekarischen Publikationen zu geben scheint. Von der überschaubaren Anzahl von Autorinnen und Autoren auf diesem Gebiet publizierten in den letzten Jahren nur Helga und Manfred Neumann sowie Edelgard Moers über die disziplinären Grenzen hinweg. Zudem wird in den einzelnen Artikeln nicht auf Texte aus dem jeweils anderen Fachbereich Bezug genommen.

Eine thematische Ausnahme bot die bereits besprochene Debatte um die PISA-Studien in den letzten Jahren, in deren Rahmen hingegen nur relativ wenige, größtenteils gleich lautende Artikel erschienen. Diese allerdings in pädagogischen und bibliothekarischen Zeitschriften.

Buchreihen für Schulbibliotheken, wie sie in anderen Ländern teilweise von Verlagen, teilweise von School Library Associations organisiert werden, existieren in Deutschland überhaupt nicht.

Insgesamt lassen sich im Internet nur drei Portale finden, welche sich primär mit Schulbibliotheken in Deutschland auseinandersetzen. Zwei von ihnen, das der Landesarbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken in Hessen e. V. [76] und das der Landesarbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken in Nordrhein-Westfalen e.V. [77], beschäftigen sich vorrangig mit der jeweiligen Vereinsarbeit. Einzig die Seite www.schulmediothek.de bietet eine kontinuierliche und auf die Schulbibliotheken ausgerichtete Informationsplattform an. Betrieben wird dieses Portal von der Expertengruppe Bibliothek und Schule im Deutschen Bibliotheksverband.

Das genaue Ziel dieses im Oktober 2004 eröffneten Portals ist nicht definiert. [78] Einerseits soll es als Informationsquelle für die Arbeit in und dem Aufbau von Schulbibliotheken dienen, andererseits Werbung für Schulbibliotheken betreiben sowie aktuelle Fortbildungs- und Veranstaltungstermine bekannt geben. Andererseits soll die Seite Anlaufpunkt für alle in irgendeiner Weise an Schulbibliotheken Interessierten sein. Die angebotenen Informationen beschränken sich entgegen diesem Anspruch auf sehr allgemein gehaltene Überblicksdarstellungen und Vorstellungen von Projektideen. Es ist außerdem nicht ersichtlich, an welche Zielgruppe sich diese Texte richten. Auf pädagogische oder bibliothekarische Einzelheiten wurde zumeist verzichtet. Ein großes Manko scheint zu sein, dass hinter diesem Portal nicht, wie in anderen Ländern, eine größere und somit finanz- und personalstärkere Vereinigung, sondern eine ehrenamtlich arbeitende Gruppe weniger Engagierter [79] steht.

Zwei Angebote des Projektes sind unter Umständen dazu geeignet, die schulbibliothekarische Arbeit zu unterstützen. Zum einen existiert eine Datenbank der Schulbibliotheken, welche der Expertengruppe bekannt sind. In diese können sich Bibliotheken, sofern sie gewisse Kriterien erfüllen, [80] selbstständig eintragen. Bis Anfang März 2006 waren insgesamt 627 Schulen mit eigenen Bibliotheken, dass sind rund 1,6% der Schulen in Deutschland, verzeichnet. Neben dieser relativ kleinen Anzahl ist nicht klar, wie diese Datenbank gepflegt wird oder wozu die in ihr gesammelten Adressen verwendet werden. Zum anderen ist über die Homepage mit der von der schulbibliothekarischen Arbeitsstelle Frankfurt am Main betreuten Mailling-Liste für Schulbibliotheken die einzige bundesweite Kommunikationsstruktur für solche Einrichtungen zu erreichen. Indes mit der Einschränkung, dass es nur möglich ist, sich in sie einzutragen und anschließend in ihr zu partizipieren. Es besteht keine Möglichkeit, ein Archiv dieser Liste zu lesen. Zudem findet offensichtlich keine Kontrolle der Personen, die sich in die Liste eintragen, statt. Außerdem ist die Anzahl der auf dieser Liste geführten Diskussionen gering. Ein Großteil der verschickten Informationen bezieht sich weniger auf die schulbibliothekarische Praxis, als vielmehr auf Projekte der Leseförderung.

Weitere Kommunikationsstrukturen, die bundesweit wirken könnten und für neue Schulbibliotheken leicht zu erreichen wären, existieren nicht.

1.2.3.2 Landesarbeitsgemeinschaften

Trotzdem in den Jahren des eigenständigen Erscheinens der schulbibliothek aktuell regelmäßig über die Gründung von Landesarbeitsgemeinschaften oder ähnlichen Vereinen für Schulbibliotheken berichtet wurde, lassen sich zurzeit lediglich zwei solcher Organisationen nachweisen und eine Weitere vermuten, welche in der jüngeren Literatur als aktiv benannt wird. [81]

Ziel dieser Arbeitsgemeinschaften ist es, eine Vertretung der Schulbibliotheken mithilfe aller Beteiligten zu organisieren. Sie übernehmen dabei vor allem die Funktion, die interne Kommunikation zu ermöglichen. Außerdem veranstaltet die hessische Landesarbeitsgemeinschaft seit 1987 jährlich stattfindende Landesschulbibliothekstage, welche sich eines größeren Zuspruchs erfreuen. [82] Obwohl von beiden Arbeitsgemeinschaften aktiv an der Entwicklung des Schulbibliothekswesens gearbeitet wird, erreicht auch in den beiden, bzw. drei Ländern die Dichte an Schulbibliotheken nicht annähernd die zeitweise als Ziel propagierten 100%. Zudem hat sich ihre Arbeit, wie das Inaktivwerden anderer Arbeitsgemeinschaften annehmen lässt, wenig auf die Situation in anderen Bundesländern ausgewirkt.

Inhaltlich ist ihre Arbeit außerdem stark beschränkt. Dies hat, wie schon angedeutet, mit hoher Wahrscheinlichkeit seinen Grund in der relativ geringen Zahl von Publikationen, die es nötig macht, immer wieder neu die Grundlagen der eigenen Arbeit darzustellen sowie in der Notwendigkeit, die Arbeitsgemeinschaften ehrenamtlich zu betreuen und nicht, wie es in einigen Staaten möglich scheint, durch in Vollzeitstellen Angestellte.

Trotz dieser Einschränkungen bietet gerade Hessen, inklusive der in der dortigen Landesarbeitsgemeinschaft vernetzten 126 Schulen, die am besten organisierte regionale Schulbibliothekslandschaft in Deutschland.

1.2.3.3 Forschungsstand

Die 1970 erschienene Studie zur Situation von Schulbibliotheken in Deutschland von Doderer et al. (1970) ist die bisher einzige Übersicht von dieser Tragweite. Sie wurde von der Bertelsmann-Stiftung initiiert und finanziert. Das verweist auf ein bis heute bestehendes Problem: es existiert in Deutschland keine Einrichtung, welche sich vorrangig oder zumindest zu einem großen Teil mit einer Schulbibliotheksforschung beschäftigt. Von einem kontinuierlichen oder strukturierten Vorgehen kann deshalb nicht ausgegangen werden. Es waren immer wieder Einzelpersonen und -projekte, welche Untersuchungen über Schulbibliotheken durchführten.

In Forschungsarbeiten zur Leseförderung finden sich Hinweise auf Schulbibliotheken als Ort der Leseförderung. Freilich erscheint dort die Bibliothek einzig als ein schulischer Raum, der neben anderen genutzt werden kann. Spezifische Aussagen über Effekte und Möglichkeiten von Schulbibliotheken sind in diesem Zusammenhang nicht zu finden. Einige, allerdings nicht wissenschaftliche, Artikel postulieren, dass sich durch die Hybridität des Ortes als Büchersammlung, Lern- und gleichzeitig Freizeitraum eine für das Lesenlernen besonders förderliche Situation ergeben würde. Es finden sich dagegen im deutschsprachigen Raum keine Arbeiten, welche diese Beziehung näher untersuchten.

Helga Neumann (1989) versuchte in ihrer Dissertation die pädagogischen Ansprüche von Schulbibliotheken darzustellen. Sie stellt diese Arbeit schon auf den ersten Seiten in den Dienst einer regressiven Kulturkritik, welche im Aufkommen neuer Medien und dem Anwachsen des Fernsehkonsums – ohne dies durch empirische Forschungen abzusichern – eine Gefahr für die Gesellschaft erblickt. Jener sei nur durch die Erziehung zum Lesen, verstanden als zusammenhängendes und verstehendes Lesen, und mäßigen Gebrauch anderer Medien zu begegnen. Diese unbewiesene Grundannahme lässt die Ergebnisse der Arbeit zumindest problematisch erscheinen. [83]

Neumann behauptet, dass die Entwicklung der Grundlagen eines Menschen bis zum 10. Lebensjahr abgeschlossen sein müsste, deshalb seien die Schulbibliotheken der Grundschulen in einer besonderen Pflicht. [84] Aus der eigenen schulbibliothekarischen Praxis bringt sie die Beobachtung einer unterschiedlichen Nutzung der Bibliothek durch Kinder unterschiedlicher sozialer Schichten und aus Elternhäusern mit unterschiedlichen Haltungen zum Lesen ein. Sie fragt, ob sich diese Ungleichheit durch Schulbibliotheken ausgleichen lässt. [85] Letztlich bleibt diese Frage als Desiderat bestehen.

In der Darstellung des Status quo kommt Neumann zu einem ähnlich negativen Ergebnis wie die hier vorgelegte Arbeit. Innovativ ist ihre Ansicht, dass die Dominanz von Lehrbüchern im deutschen Unterricht mit ein Grund für die schwach ausgeprägte Schulbibliothekslandschaft sei. Ihre These lautet, dass ein Unterricht, der in stärkerem Maße auf unterschiedliche Quellen zugreifen würde, öfter auf Bibliotheken zurückgreifen lassen und somit ein Bedürfnis nach Schulbibliotheken generieren würde. Sie stellt indes kein Modell zur Überprüfung dieser Mutmaßung bereit. In der restlichen Forschungsliteratur ist dieser Ansatz bisher nicht weiter verfolgt worden.

Im weiteren Verlauf stellt sie Forderungen auf, die es ermöglich sollen mithilfe einer Schulbibliothek Schülerinnen und Schüler zur Nutzung von Bibliotheken über die Schulzeit hinaus zu erziehen. Dazu gehört, neben einer zentrale Lage, eine enge Zusammenarbeit mit öffentlichen Bibliotheken sowie ein relativ professionelles Funktionieren der Schulbibliotheken. Die entwickelten Vorstellungen von schulpädagogischer Arbeit umfassen die Förderung der Selbstständigkeit der Lernenden. So basiert das in ihrer Arbeit gezeichnete Konzept einer Bibliothek auf der aktiven Mithilfe von Schülerinnen und Schülern. Daneben sollen die Bibliothekseinführungen für die ersten Klassen von vierten Klassen vorgenommen werden. Eine ausführliche Bibliotheksarbeit könne erst mit der fünften Klasse beginnen. Dabei wird unterschieden in Einführungen von zwei bis drei Zeitstunden und Unterrichtseinheiten in der Bibliothek von acht bis zehn Stunden. Zudem werden unterschiedliche Nutzungsformen im Unterricht aufgezählt, die über die zuvor organisierten Einheiten hinausgehen. So gäbe es:

  • Vorbereitungen auf den Unterricht, sowohl im Klassenverband, als auch einzeln und in kleineren Gruppen.
  • Die spontane oder geplante Benutzung während des Unterrichts, die meist im Nachschlagen von spezifischen Informationen besteht, welche im Verlauf der Schulstunden benötigt würden.
  • Die Vertiefung und Ergänzung des Unterrichtsstoffes.

Auf diese spezifischen Anforderungen habe die Schulbibliothek zu reagieren, wenn auch in einer dem Gedanken der Volksbildung verpflichteten Weise. Die Öffnungszeiten müssten so organisieren werden, dass alle diese Nutzungsformen möglich seinen. Der Bestand solle so aufbereitet sein, dass er diesen Anforderungen entsprechend genutzt werden kann. Zudem müsse die Bibliothek zu den Lehrenden Kontakt halten und eine schulinterne Öffentlichkeitsarbeit betreiben, um einerseits Nutzungsformen anzuregen, andererseits im Vorfeld auf Ansprüche reagieren zu können.

Die anfängliche Systematisierung der möglichen Nutzungsformen, welche bisher nicht weitergeführt wurde, ist das Hauptergebnis der Arbeit von Neumann. Die Autorin schließt mit der Überlegung, dass Schulbibliotheken nicht von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren geleitet werden sollten, sondern vorrangig von pädagogisch ausgebildetem Personal, welches gleichzeitig mit den Grundlagen der Bibliotheksarbeit vertraut seien. Dies sei bisher in Deutschland nur durch ein Doppelstudium zu erreichen. Jene Meinung hält sie für begründet und steht damit im Gegensatz zu nahezu allen anderen bibliothekarischen Ansätzen. [86] Obwohl die Autorin in der folgenden Zeit zu einer der aktivsten Autorinnen auf dem Feld der Schulbibliotheken wurde, fand ihre Dissertation keine nachweisbare Beachtung.

Evelyn Ernst (1993) versucht in ihrer Arbeit, ebenso wie Neumann, schulbibliothekspädagogische Konzepte zu entwerfen. Ihre Grundthese ist, dass die Nutzung von Schulbibliotheken ein Schritt weg von einem auf den Lehrstoff zentrierten, hin zu einem auf die einzelnen Lernenden orientierten Unterricht sei. Die Schulbibliothek könnte als ein von Stoff- und Zeitdruck befreiter Erkenntnis- und Erlebnisort wirken. Es würde bei Schülerinnen und Schülern zu einem größeren Selbstvertrauen führen, wenn sie in der Lage wären aktiv die von ihnen außerhalb des eigentlichen Unterrichts erworbenen Kenntnisse in den Lernprozess einzubringen. Dazu müssten allerdings gut ausgebaute Schulbibliotheken sowie pädagogische Konzepte existieren, welche eine Arbeit in und mit Bibliotheken erfordern.

Diese Möglichkeiten könnten nur genutzt werden, wenn es Lehrende gäbe, die Schulbibliotheken akzeptierten. Dies passiert, wie die Autorin feststellt, bisher nur im Deutsch- und Sprachunterricht. Hier ist die Funktion der Bibliothek als Lernanstalt für das Lesen teilweise akzeptiert. Es gäbe sogar einige Lehrbücher, welche dies direkt thematisieren würden. Allerdings sind diese Konzepte eher theoretisch, da sie an kaum einer deutschen Schule umgesetzt würden.

Eine praktische Anregung der Autorin besteht darin, die Nutzung einer Schulbibliothek nicht nur als unterrichts- oder freizeitbezogen zu verstehen, sondern daneben Zeiten einzuplanen, in denen das freie Nutzen der Bibliothek ohne Unterrichtsdruck, aber doch als Lernangebot initiiert wird.

Jörn Brien (2003), dessen Arbeit sich nicht alleine mit Schulbibliotheken, sondern mit Diensten für Kinder und Jugendliche in Öffentlichen Bibliotheken in Deutschland beschäftigt, zeichnet eine Entwicklung dieser Angebote von einem volkspädagogischen Paradigma zu einem dienstleistungsorientierten nach. Das volkspädagogische Denken gehe davon aus, dass die Nutzerinnen und Nutzer in der Bibliothek durch die Qualität des Bestandes, durch Einführungen, Empfehlungen und Vorgaben zu erziehen seien. Den Bibliotheken wird in diesem Denken ein direkter Kulturauftrag zugeschrieben. Durch die Orientierung an der Nachfrage durch die Nutzerinnen und Nutzer sei dann der, in anderen Ländern schon verbreitete, Ansatz einer Public Library entstanden, in welchem die Bibliothek vor allem als indirekt wirkende Kulturinstitution verstanden wird, die nicht direkt erzieht, sondern die Mittel zur Erziehung – insbesondere der eigenen Person – bereitstellt. Der Autor führt nicht aus, inwieweit dieser Paradigmenwechsel auf Schulbibliotheken zutrifft, deutet aber an, dass sich in diesem Punkt Schul- und Öffentliche Bibliotheken nicht unterscheiden würden. Diese These impliziert einen Bedeutungswandel der Schulbibliotheken, dessen Konsequenzen bisher nicht thematisiert wurden.

Im Anschluss an die Diskussionen um die Ergebnisse der ersten PISA-Studie untersuchte Anja Ballenthin (2003) in ihrer Diplomarbeit die Schulbibliothekssysteme Finnlands, Großbritanniens und Österreichs, die sie mit der Situation in Deutschland verglich. Dabei zeigte sie auf, dass eine Bewertung von Schulbibliothekssystemen ohne die Beachtung der jeweiligen Geschichte und des Bildungssystems der jeweiligen Länder unvollständig bleiben muss. Daneben wies ihre Arbeit, obwohl sie die Situation in Deutschland weit positiver darstellt, als es die hier vorliegende Untersuchung tut, die großen Unterschiede zwischen deutschen und anderen Schulbibliothekssystemen nach. Die von ihr untersuchten Staaten hatten in der PISA 2000 Studie weit bessere Ergebnisse erreicht als Deutschland. Obwohl Ballenthin darauf hinweist, dass Schulbibliotheken alleine diese Ergebnisse nicht erklärbar machen, zieht sie am Ende ihrer Arbeit drei Schlüsse, welche sich mit ihrer Untersuchung nicht erklären lassen und außerdem nicht direkt untersucht wurden, aber prominente Postulate der deutschen Diskussionen um Schulbibliotheken aufnehmen und insoweit als typisch für diese gelten können.

  • Ausgebaute Schulbibliotheken hätten einen spürbar positiven Einfluss auf die Ergebnisse der PISA-Studie. Da die Autorin nur vier Länder betrachtet, davon drei ausgesprochen erfolgreiche, und keinen Vergleich mit anderen Staaten versucht, die schlechtere Ergebnisse erreichten, ist diese Aussage nicht nachzuvollziehen. Zudem fehlt eine Diskussion der Beschränkungen der PISA-Studie als arbeitsmarkt-orientierte Betrachtungsweise von Bildungserfolgen.
  • Sie behauptet, "dass gut ausgestattete Schulbibliotheken durch nichts ersetzt werden können.“ [87] Diese Aussage ist vollkommen unbewiesen, da in der Arbeit überhaupt kein Vergleich mit anderen Bildungskonzepten und -institutionen vorgenommen wurde. Fakt ist, dass Deutschland in der darauf folgenden Studie PISA 2003 ohne den Ausbau des Schulbibliothekssystems bessere Ergebnisse erzielen konnte. Dies könnte als Hinweis darauf verstanden werden, dass zumindest einige Lernerfolge ohne Schulbibliotheken zu erreichen sind.
  • Zudem behauptet Ballenthin, dass "[die Bewältigung der] heutigen Anforderungen, die an Schüler gestellt werden und der Umgang mit Medien und Informationen in sämtlicher Form […] nur über die Bibliothek an sich und die Schulbibliothek im Besonderen gewährleistet werden [könnten].“ [88] Zu diesem Themenfeld finden sich in der Arbeit keine Betrachtungen. Es ist nicht ersichtlicht, wieso dieses Thema überhaupt in der Schlussbetrachtung angesprochen wird. Die Situation in Berlin widerspricht dieser Aussage zudem direkt. Die meisten Schulen, ob mit oder ohne Schulbibliothek, verfügen über eigenständige Computerräume, zumeist mit einer eigenständigen Arbeitsgemeinschaft, mindestens aber mit verantwortlichen Lehrkräften, welche diese Räume betreuen. Das heißt, dass es Ansätze gibt den Umgang mit neuen Medien zu ermöglichen, ohne eine Bibliothek zu nutzen. Ob der Effekt dieser Anstrengungen negativ ist und ob eine Kompetenzvermittlung in Bibliotheken erfolgreicher wäre, lässt sich mit dem Forschungsdesign von Ballenthin nicht eruieren.

Obwohl die Arbeit von Ballenthin einen weiterreichenden Ansatz präsentiert, um Schulbibliothek zu bewerten, ist sie gleichzeitig ein Beispiel für die problematischen Auswirkungen einer in wissenschaftlichen Texten zu Schulbibliotheken in Deutschland oft zu konstatierende Herangehensweise, die innerhalb einer Studie mehr beweisen will, als sie eigentlich fragt. Die Autorin war offenbar von vornherein davon überzeugt, dass Schulbibliotheken nach finnischem oder britischem Vorbild in Deutschland notwendig sind und dass die Entwicklung in Österreich, welche in den letzten Jahren rasante Zuwächse an Schulbibliotheken und dazugehörigen Unterstützungsinstitutionen generierte, ein gangbarer Weg sei. Diese Haltung ist politisch verständlich, verringert andererseits die Aussagekraft der Studie relevant.

Eine gänzlich andere Betrachtungsweise wählte Bettina Wenzel (2005) in der letzten bisher vorgelegten Forschungsarbeit zu schulbibliothekarischer Praxis. Sie beschreibt anhand eines ungarischen Gymnasiums, die Möglichkeiten mittels einer Schulbibliothek Integrationsbemühungen einer bisher ausgeschlossenen Gruppe – in diesem Fall der ungarischen Roma – zu unterstützen. Obwohl der Ansatz für die Diskussionen um Schulbibliotheken in Deutschland innovativ scheint, ist dieser Fall äußerst speziell. Die Autorin verzichtet darauf, die Frage zu stellen, welche Konsequenzen aus diesem speziellen Fall für andere Projekte gezogen werden könnten.

In der Argumentation für Schulbibliotheken wird desöfteren auf Studien aus dem englischsprachigen Raum verwiesen, in welchen eindeutig nachgewiesen würde, dass School Libraries einen positiven Effekt auf die Lernergebnisse von Schülerinnen und Schülern haben würden. Diese Forschungen sind zumeist empirisch angelegte Untersuchungen, die mit Vergleichen den Einfluss von School Libraries zu bestimmen versuchen. Die U.S. National Commission on Libraries and Information Science (2006), die Australian School Library Association [89] sowie eine kanadische Nichtregierungsorganisation [90] legen in unregelmäßigen, relativ engen Abständen Zusammenfassungen solche Studien vor. Die Ergebnisse ähneln sich: Ein ausgebautes Schulbibliothekssystem und gut ausgestattete Schulbibliotheken steigern die durchschnittlichen Lernerfolge in Schulen messbar, "[…] but only when they are staffed by qualified professionals trained to collaborate with teachers and engage students meaningfully with information that matters to them both in the classroom and in the real world.“ [91]

Diese Einschränkung wird gerade in Kanada zur Argumentation für die Wiedereinstellung von professionellen Teacher Librarians verwendet. Von solchen Grundlagen kann das deutsche Schulbibliotheksangebot nicht ausgehen. Wie weiter oben schon gezeigt gibt es, im Gegensatz zu den englischsprachigen und anderen Ländern, in Deutschland weder zentrale Dienste für Schulbibliotheken, noch auf sie abgestimmte Curricula sowie kein speziell für sie qualifiziertes Personal oder eine Bildungstradition die Lehrkräfte mit der Arbeit mit Schulbibliotheken vertraut machen würde. Auffällig ist, dass solche Studien zu Argumentationszwecken zitiert, dann allerdings ihre Resultate nicht ausreichend ausgeführt werden. Es existiert keine Überlegung, ob und in welcher Form die in ihnen gezogenen Schlüsse überhaupt auf die deutsche Situation zu übertragen sind. Zudem verzichtet die Debatte nahezu vollständig darauf, weitere Forschungsdiskussionen neben diesen spezifischen, groß angelegten Untersuchungen oder Forschungen aus anderen Ländern wahrzunehmen. [92] Insoweit wäre es falsch, von einer wissenschaftlichen Diskussion jener Studien auszugehen. Ihr Einsatz ist ein politischer.

Zusammenfassend lässt sich die Forschung zu Schulbibliotheken in Deutschland als Desiderat beschreiben, welchem nur in wenigen Fragen Ansätze zu weitergehenden Studien entgegenstehen.

1.3 Rechtliche Lage

Es existiert keine rechtliche Regelung für Schulbibliotheken in Deutschland. [93] Es gibt kein Bibliotheksgesetz, in welchem ihre Stellung festgeschrieben sein könnte.

Die Schulgesetze fallen alle in den Aufgabenbereich der einzelnen Länder. Soweit ersichtlich werden in diesen in Rheinland-Pfalz und im Saarland Schulbibliotheken erwähnt. In Rheinland-Pfalz wird dem Schulelternbeirat ein Mitsprachrecht an der Ausstattung eingeräumt (§40(4), SchulG), im Saarland werden die Schulträger verpflichtet Schulgebäude zu errichten und zu unterhalten, dabei gelten Schulbibliotheken als freiwillige Leistung welche, anders als in anderen Bundesländern im Gesetzestext, aufgezählt werden (§46, SchoG).

Auf Länderebene existieren keine weitergehenden Regelungen für Bibliotheken, die sich auf Schulbibliotheken beziehen könnten. Eine Ausnahme bietet hier Bayern, welches eine Bekanntmachung für Schulbibliotheken veröffentlicht hat. [94] Ansonsten finden in rechtswirksamen Äußerungen Schulbibliotheken nur am Rande Platz, vorrangig wenn sie als mögliche Orte zur Förderung der Medien- und Lesekompetenz genannt werden.

Einige Vorschriften zum Bau von Schulgebäuden erwähnen die Größen oder Ausstattung von Schulbibliotheken. Daraus ist nicht zu schließen, dass diese Räume tatsächlich gebaut oder wie sie nach dem Bau genutzt werden.

Insoweit berufen sich Schulbibliotheken zwar auf den Bildungsauftrag des Grundgesetzes, sind indes letztlich freiwillig unterhaltene Einrichtungen der jeweiligen Träger. Als solche haben sie einen juristischen Freiraum, der gleichzeitig einige rechtliche Lücken ungeklärt lässt. So ist zum Beispiel nicht deutlich geregelt, wer bei der spontanen Nutzung einer Schulbibliothek von einzelnen Schülerinnen und Schülern die Aufsichtspflicht hat. Denkbar wären die Lehrenden in den Klassenräumen, das Personal der Bibliothek oder das gesamte Schulpersonal oder das die Wege zwischen den Unterrichtsräumen und der Bibliothek rechtlich von Lernenden während des Unterrichts gar nicht benutzt werden dürfen. [95] Ähnliches gilt für eine Nutzung von Schulbibliotheken außerhalb der Unterrichtszeit, an Wochenenden und in den Ferien.

Es fanden sich bisher auch in der juristischen Literatur keine Fälle dokumentiert, in welchen sich dies zum Nachteil von Schulbibliothekspersonal ausgewirkt hätte. Es ist außerdem zu vermuten, dass im Rahmen der Umsetzung der aktuellen Gesamtschulkonzepte, vor allem jener, die auf dem Montessori- oder anderen reformpädagogischen Konzepten basieren, [96] ähnlich gelagerte Probleme auftreten werden, die es für die gesetzgebenden Instanzen zu lösen gilt.

Diese ungesicherte Stellung macht es schwierig eine kontinuierliche schulbibliothekarische Arbeit zu leisten. Es gibt keine rechtlichen Regelungen, auf die sich Schulbibliotheken in ihrer Praxis berufen können, mit Ausnahme der seltenen Fälle, in denen Schulen und Öffentliche Bibliotheken einen Vertrag über den Betrieb einer Zweigstelle in der Schule getroffen haben. Ansonsten sind Schulbibliotheken in Deutschland rechtliche Improvisationen. Neumann (1989) sieht in dieser Situation einen weiteren Faktor, der die Entwicklung von Schulbibliotheken in Deutschland behindern würde. Sie schlägt deshalb vor, dass Schulbibliothekswesen vollständig, inklusive der Kosten, den einzelnen Ländern zuzuschlagen.

Unterteilung: Kapitel 0-1 | Kapitel 2 | Kapitel 3-4 | Anhänge und Literatur

Fußnoten

1 Beratungsstelle für Schulbibliotheken zur Situation von Schulbibliotheken in Deutschland. In: Carrol (1981), Page 198f. [zurück]

2 Hohlfeld (1982) zeigt anhand historischer Quellen, dass dies schon im 19. und frühen 20. Jahrhundert der Fall war. Damals galten Schulbibliotheken im Sinne der Volksbildung zum Beispiel als eine Anstalt, die zum Lesen guter Literatur – im Gegensatz zur Massenliteratur – erziehen könnte. Andere bei Hohlfeld dargestellte Autoren sahen in der Schulbibliothek eine Institution zur christlichen Erziehung. In den Diskussionen der 1970er Jahre in Westdeutschland ging es um die Erziehung der Kinder und Jugendlichen zu mündigen und selbstverantwortlichen Menschen, für die Schulbibliotheken einen geeigneten Lehrraum darstellen sollten. Dies postulierte auch noch das Deutsche Bibliotheksinstitut (1992). Vgl. auch Papendieck (2001), Doderer et al. (1970). Den Diskussionen nach der Veröffentlichung der PISA 2000 Studie folgend sollen Schulbibliotheken vor allem bei der Ausprägung von Kompetenzen, die zu einer Meisterung der aktuellen beruflichen Anforderungen nötig sind, beitragen. Vgl. Abschnitt 1.2.2. Es ist nicht die Aufgabe dieser Arbeit, solche Differenzen zu erklären. Indes wird in dieser kurzen Aufzählung klar, dass zumindest in der Theorie Schulbibliotheken unterschiedliche, sich zum Teil ausschließende, Bildungsziele unterstützen können. [zurück]

3 Vgl. Papendieck (1999a). [zurück]

4 Vgl. Neumann (1989), die mit einer kulturpessimistischen Haltung die Bedeutung der Non-Book-Medien in den Schulbibliotheken gering halten wollte, ohne dabei die gesellschaftspolitischen Auswirkungen einer solchen Grundentscheidung aufzuzeigen. Vgl. auch Wenzel (2005), Ernst (1993), Ballenthin (2003). [zurück]

5 Die Wahl dieser Stadt als Ort der Untersuchung wurde durch die ökonomische Situation des Autors bestimmt. Sie hat zudem den großen Vorteil, einmal nicht die in der Literatur sonst präsentierten "Hochburgen“ der Schulbibliotheken in Deutschland, sondern eine vermutlich der durchschnittlichen Ausstattung näher kommende Region zu präsentieren. Eine differenzierte Darstellung dieser Besuche und ihrer Ergebnisse erfolgt im Anhang A. [zurück]

6 Zur dort verwendeten Methodik siehe Anhang A. [zurück]

7 Deutsches Bibliotheksinstitut (1991). [zurück]

8 Doderer et al. (1970). [zurück]

9 Im Folgenden wird vom Schulbibliothekspersonal und nicht, wie dies oft geschieht, von Schulbibliothekarinnen und Schulbibliothekaren gesprochen. Dieses Personal ist im Hinblick auf Ausbildung, Aufgaben, Stellung und Funktion zu divergent, um es unter solch einer Bezeichnung zusammenzufassen. [zurück]

10 Vgl. durchgängig die Veröffentlichungen der Expertengruppe Zusammenarbeit Schule und Bibliothek im Deutschen Bibliotheksverband und deren Mitglieder. Vgl. zudem die Publikationen der Beratungsstelle Schulbibliotheken im Deutschen Bibliotheksinstitut und der Kommission für Schulbibliotheken im Deutschen Bibliotheksverband. [zurück]

11 Dies bezog sich selbstverständlich nur auf die alten Bundesländer und Berlin (West). Allerdings hat die politische Wende in der DDR keinen wahrnehmbaren Einfluss auf die Schulbibliotheksentwicklung gehabt. Es besteht kein Grund anzunehmen, dass diese relevant anders verlaufen wäre, wenn es 1990 nicht zum Beitritt der DDR zur BRD gekommen wäre. [zurück]

12 Heute wäre, aufgrund der Schließung der wenigen damals vorhandenen Einrichtungen, von Aufbau zu sprechen. [zurück]

13 Diese waren nahezu identisch mit den in Tabelle 2, Seite 15, angegebenen. [zurück]

14 Hoebbel (2003). [zurück]

15 Vgl. Wiese (2001a), Wiese (2001b), In eigener Sache ... (2000). Offiziell wurde diese Fachzeitschrift zuerst von der Arbeitsstelle für das Bibliothekswesen, Deutscher Bibliotheksverband herausgegeben. Die Übergänge dieser Herausgeberschaft in die der Beratungsstelle scheinen fließend gewesen zu sein. [zurück]

16 Gleichzeitig sind sie heute nur noch in Ausnahmefällen antiquarisch zu erwerben und zumindest im Bereich der technischen Möglichkeiten in Schulbibliotheken vollkommen überholt. [zurück]

17 Vgl. http://deposit.ddb.de/ep/netpub/89/96/96/967969689/_data_stat/www.dbi-berlin.de/dbi_ber/schul/schul05.htm. [zurück]

18 Vgl. http://www.bmbf.de/pub/GuS2001_K2_dt.pdf. [zurück]

19 Vgl. u.a. Papendieck (1995), Schneider (2004a), Hoebbel (2003), Neumann (2003a), Neumann (2003b), Dankert (2004). Diese Zahlen lassen sich kontinuierlich seit den 1970er Jahren finden. [zurück]

20 Wird in Landesverband Thüringen im Deutschen Bibliotheksverband e.V. ; Landesfachstelle für öffentliche Bibliotheken in Thüringen (1999) erwähnt und ist ansonsten nur namentlich nachzuweisen. [zurück]

21 Das kannte Bibliothekssystem in der DDR kannte in den letzten Jahren seiner Existenz keine eigenständigen Schulbibliotheken. In Zentralinstitut für Bibliotheksarbeit (1976) ist zum Beispiel von "Buchbeständen in Schulen“ (S.14) die Rede, welche die Aufgabe hätten, die als wichtig angesehene Arbeit von Bibliotheken mit Lernenden zu entlasten, indem sie vorrangig Nachschlagewerke zur Verfügung stellten. Als zu erreichendes Ziel wird vor allem genannt, Schülerinnen und Schüler auch im ländlichen Raum in der 8.-10. Klasse mindestens zu einem gemeinschaftlichen Bibliotheksbesuch zu verpflichten. Es lassen sich im Allgemeinen wenige Aussagen zur Schularbeit der Bibliotheken in der DDR finden. Erwähnt wird neben der Existenz von Buchbeständen eine engere Zusammenarbeit zwischen Schulen und Bibliotheken, welche durch die relativ große Dichte von Öffentlichen Bibliotheken begünstigt wurde. Doderer et al. (1970, S.72-87) erwähnen eine Schülerbüchereiordnung sowie das Vorhaben, zentrale Schulbüchereien anzustreben, welche allerdings nicht in den Schulen platziert, sondern als selbstständige Einrichtungen funktionieren sollten. Die Senatsverwaltung für kulturelle Angelegenheiten (1992) berichtet von einer Vereinbarung zwischen dem Volksbildungs- und dem Kulturministerium von 1976, die bibliothekarische Versorgung der Kinder und Jugendlichen vollständig den Stadtteilbibliotheken als Aufgabe zu übertragen und die offenbar vorhandenen Schulbüchereien zu schließen. Im Hinblick auf die in dieser Arbeit gestellte Frage heißt dies, dass für die neuen Bundesländer eine Infrastruktur von und für Schulbibliotheken neu aufgebaut werden musste, während gleichzeitig das Bibliothekssystem seit 1989/1990 massiv zurückgebaut wurde. Eine umfassende Untersuchung zur Frage der Bibliotheksarbeit für Schulen in der DDR ist bis heute ein Forschungsdesiderat. [zurück]

22 Jordan-Bodin (2005). [zurück]

23 Brée (2006), Prasch (2005), LAG Schulbibliotheken in Hessen e.V. ; Hessisches Landesinstitut für Pädagogik (2000). [zurück]

24 Was allerdings heißt, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich aktiv sind. [zurück]

25 Hoebbel (2000). [zurück]

26 Deutsches Bibliotheksinstitut (1991), Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände (1993). [zurück]

27 Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände (1993). [zurück]

28 Vgl. Abschnitt 3.3. [zurück]

29 Kuhlmann (1988), S.36. [zurück]

30 Schlegtendal (1988). [zurück]

31 Ebenda, S.11. [zurück]

32 Landesverband Thüringen im Deutschen Bibliotheksverband e.V. ; Landesfachstelle für öffentliche Bibliotheken in Thüringen (1999), S.17. [zurück]

33 12.06.2006. [zurück]

34 Zukunft der Bibliothek (2000), S.155. [zurück]

35 Vgl. Semme (1985), Auinger (2005), Jordan-Bonin (2005). [zurück]

36 In dieser Arbeit sind Konzepte aus dem englischen Sprachraum, für die es kein deutsches Äquivalent gibt, zur besseren Sichtbarkeit im Englischen belassen worden. [zurück]

37 Vgl. Lange-Bohaumilitzky (2004). Das Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung propagiert das Bild des Schulbibliotheksbetreuers / der Schulbibliotheksbetreuerin. Vgl. Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung, München (1996), Kaulfuß (1997a), Kaulfuß (1997b), Dahm (2002). Diese sollen eine pädagogische Ausbildung und eine schulbibliothekarische Fortbildung erhalten. Allerdings ist nicht ersichtlich, inwieweit sich dieses Berufsbild in Bayern und darüber hinaus etabliert hat. [zurück]

38 Welche der – beispielsweise in den Standardwerken von Rupert Hacker dargelegten – bibliothekarische Grundsätze genau umgesetzt werden, scheint sich zudem selbst in den bibliothekarisch betreuten Schulbibliotheken stark zu unterscheiden. [zurück]

39 IFLA and UNESCO (1999). Neumann und Neumann (2004) bestreiten, dass eine Umsetzung dieses Manifestes in Deutschland überhaupt möglich sei. [zurück]

40 Vlg. Schneider (2006), Schneider (2005b). [zurück]

41 Prominent in Hoebbel (2003). Ebenso in zahlreichen weiteren bibliothekarischen Publikationen. [zurück]

42 Vgl. Landesverband Thüringen im Deutschen Bibliotheksverband e.V. (2003), S.24-42. [zurück]

43 Dafür existieren zahlreiche Überlegungen von wissenschaftlichen Bibliotheken, wie sie mit dem Ansturm der Schülerinnen und Schüler umgehen sollen. Vgl. Wien (1999). [zurück]

44 Der letzte größere Versuch fand 1988 im so genannten "Kuhlmann-Gutachten“ (Kuhlmann 1988) seinen Höhepunkt. Der Gutachter empfahl damals die Zentralisation der Bibliothekssysteme in Berlin (West), allerdings widersprach ein Berliner Bibliothekar (Schlegtendal 1988) diesem Gutachten in großen Teilen und argumentierte, dass das Berliner Bibliothekssystem bei einer solchen Größe nicht mehr zu verwalten und damit ineffizient sein würde. Zudem hätten sich die Bibliotheksstrukturen der Städte, welche 1920 in Berlin eingemeindet wurden, erhalten und würden mit einer solchen Reform zerstört. Durch die Veränderung der politischen Lage in der DDR im folgenden Jahr und deren Beitritt zur BRD mussten die Berliner Bibliotheken andere Aufgaben lösen. Insoweit ist diese Diskussion ergebnislos abgebrochen worden. [zurück]

45 Vgl. Funke (2005). [zurück]

46 Vgl. Neumann (2003d). Jedoch lässt sich bei einem Vergleich der bekannten Schulbibliotheken in Berlin mit den Angaben in Tabelle 3 kein eindeutiger Beleg für diese These finden. 37 der Schulbibliotheken sind in einem Bezirk angesiedelt, in welchem Schul- und Bibliotheksamt in einer Abteilung verwaltet werden, während sich 19 in einem Bezirk ohne diese behördliche Kombination befinden. [zurück]

47 Senator für kulturelle Angelegenheiten (1998,1990), Senator für kulturelle Angelegenheiten (1992). Schulinterne Bibliotheken, die nicht von Bibliothekarinnen oder Bibliothekaren betreut werden, wurden in dieser Aufzählung vollständig unterschlagen. [zurück]

48 Warum in der Sekundarstufe II ein geringerer Bestand als in der Sekundarstufe I vorgesehen war, geht aus dem Bibliotheksentwicklungsplan und dem dazugehörigen Material nicht hervor. Tabelle 1 berichtet von gegenläufigen Vorstellungen. [zurück]

49 Einschränkend muss darauf hingewiesen werden, dass die Gestaltung der Schulhomepages offenbar mit dem Schultyp in Verbindung steht. Gerade die Seiten von Gymnasien und Oberstufenzentren sind aussagekräftig, während viele Seiten von Grund-, Haupt-, Real- und Gesamtschulen relativ schlecht gepflegt werden. Insoweit könnten die hier verwendeten Werte geringfügig durch die Arbeit der Webredaktionen verfälscht worden sein, wenn in Gymnasien und Oberstufenzentren mehr auf Vollständigkeit der Angaben geachtet wurde, als in anderen Schultypen. [zurück]

50 Daten aus Statistisches Landesamt Berlin (2005). [zurück]

51 Angewandte Definition einer Schulbibliothek: feste Öffnungszeiten mit freiem Zugang für Schülerinnen und Schüler, allgemeiner Bestand für die gesamte Schule (keine Spezialsammlung für ein Fach), mehr Literatur als nur die Lehrbuchsammlung. Diese Definition wurde großzügig gehandhabt. Die meisten Bewertungen mussten aufgrund fehlender Informationstexte per Augenschein vorgenommen werden. Von einer Lehrbuchsammlung wurde nur ausgegangen, wenn dies explizit erwähnt wurde oder offensichtlich war. Bei den Öffnungszeiten wurde weder auf die Länge, noch auf die Lage, sondern einzig auf die Existenz solcher Festlegungen geachtet. Eine Mindeststundenanzahl wurde nicht festgelegt. Auf Arbeitsplätze, zumal die in der Literatur geforderte Anzahl von mindestens einer Klassenstärke, wurde nicht geachtet. [zurück]

52 Die Zahl der Sonstigen Schulen lässt sich nicht genau eruieren. [zurück]

53 Ohne "Sonstige“. [zurück]

54 Vgl. Nein (1999). [zurück]

55 Diese entstand allerdings aus der Not heraus, durch die Schließung einer relativ großen Anzahl von Bibliotheken einen großen, nicht magazinierbaren Bestand an Dubletten und Mehrfachexemplaren zu besitzen. [zurück]

56 Es wäre interessant zu untersuchen, ob sich neben der Differenzierung der Schultypen andere Indikatoren finden lassen, welche die Existenz einer Schulbibliothek begünstigen. Das ist zu vermuten, zumal eine Anzahl von Bibliotheken zum Fortbestand auf die Unterstützung der an nahezu jeder Schule existierenden Fördervereine angewiesen ist. Da diese sich hauptsächlich durch die Spenden ihrer Mitglieder finanzieren und diese wiederum fast vollständig aus Eltern der Lernenden und Alumis der jeweiligen Schule bestehen, ist der Einfluss des ökonomischen Status mit hoher Wahrscheinlichkeit signifikant. Bei einem einfach Abgleich mit den im Sozialstrukturatlas Berlin dargestellten sozioökonomischen Werten für die Berliner Wohnquartiere – wie er in Anhang C vorgenommen wird – lässt sich ein solcher Zusammenhang nicht bestätigen. [zurück]

57 Programme for International Student Assessment. Genauere Ausführungen zum Testaufbau- und Verlauf sowie den theoretischen Hintergründen finden sich in PISA-Konsortium (2001), PISA-Konsortium (2004) und PISA-Konsortium (2005). [zurück]

58 Mathematische Kompetenz, naturwissenschaftliche Kompetenz, Lesekompetenz und, zusätzlich seit der zweiten Welle 2003, Problemlösekompetenz. [zurück]

59 PISA-Konsortium (2005), Seite 19. Es wurden im internationalen Vergleich nur 15-jährige getestet, da in diesem Alter in vielen Staaten die Schulpflicht endet und die Lernenden in den Arbeitsmarkt eintreten. In der deutschen Zusatzstudie PISA-E wurden zudem Schülerinnen und Schüler der neunten Klasse getestet. Gleichwohl änderten sich die Ergebnisse nicht signifikant. [zurück]

60 Dies ist allerdings nicht der OECD als tragender Organisation der PISA-Studie vorzuwerfen, sondern vielmehr der verkürzten Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit. In den längeren Texten zur Studie werden diese Einschränkungen explizit und zudem wiederholt benannt. Gleichwohl scheinen diese Texte wenig gelesen worden zu sein. In vielen Arbeiten finden sich stattdessen in den Literaturliste die für die Presse publizierten Kurzfassungen, welche sich nahezu vollständig auf die Darstellung der Ergebnisse beschränken. [zurück]

61 Vgl. alle größeren Veröffentlichungen des PISA-Konsortiums. [zurück]

62 Paul und Rabe (2005b) kritisieren zum Beispiel in ihrer Diplomarbeit, dass nicht ersichtlich sei, warum punktgleiche Länder in den Listen unterschiedlichen Rängen zugeordnet werden. Dabei existiert zu dieser Frage in allen Auswertungsbänden ein eigenständiges Kapitel. Da Paul und Rabe allerdings nur die Kurzfassung der Ergebnisse für ihre Arbeit benutzen, interpretieren sie hier einen Fehler in die Studie hinein, der in dieser Form nicht existiert. Für die Ordnung punktgleicher Staaten wurde vor allem die Varianzbreite der Ergebnisse betrachtet. Ähnliche Ungenauigkeiten lassen sich in zahllosen wissenschaftlichen und journalistischen Auseinandersetzungen mit den Studien finden. Durch solche Ungenauigkeiten wird allerdings eine sinnvolle Diskussion über die Grenzen, Anwendbarkeiten, Fehler, Ziele und Ergebnisse der Studien nahezu unmöglich gemacht. [zurück]

63 Die PISA-Studie benutzt eine einfache Variante der Variable des Migrationshintergrundes. Sind die Jugendlichen oder mindestens eines ihrer Elternteile außerhalb Deutschlands geboren, besitzen diese für die PISA-Studie einen solchen Hintergrund. In allen anderen Fällen nicht. Erst die nationalen Erweiterungsstudien machen hier eine weitere Differenzierung möglich, indem sie anhand des Herkunftslandes der Jugendlichen oder deren Eltern verschiedene Migrationsgruppen ausmachen. [zurück]

64 Zudem ist auch der Fakt, welche Sprachen vorrangig in der Familie gesprochen wird, für die Schulerfolge der Jugendlichen in fast keinem anderen getesteten Land so ausschlaggebend wie in Deutschland. [zurück]

65 Einen Anzahl der relevanten Texte, welche diese Behauptung beinhalten, wird in diesem Abschnitt besprochen. [zurück]

66 Eine Gegenüberstellung der beiden Konzepte findet sich in Abschnitt 2.2. [zurück]

67 Bezogen auf die Lesekompetenzen lassen sich diese Argumentationen auch in Neumann (2003b), Neumann (2003c), Neumann (2003d) und Hass (2002) finden. [zurück]

68 Wobei nicht geklärt ist, was genau schlechte Ergebnisse sind und was sie bedeuten. So ist die sozialen Gerechtigkeit im US-amerikanischen Bildungssystem laut den PISA-Studien größer und der Lernerfolg in den Schulen nicht so sehr von der Sprache in der Familie abhängig, wie in Deutschland. Dafür sind die statistisch erreichten Mittelwerte geringer. [zurück]

69 Die Bewertung der PISA-Ergebnisse wurden nicht nach den Rangtabellen, sondern nach den drei Werten oberhalb (+1), innerhalb (0) und unterhalb (-1) des OECD-Durchschnitts gezählt. Dieses Vorgehen folgt den Empfehlungen in PISA-Konsortium (2005), in welchem die Autorinnen und Autoren davor warnen die Ergebnisse der Studien als Rangfolge aufzufassen. Die Angaben sind entnommen aus PISA-Konsortium (2001) und PISA-Konsortium (2004). Es wurden die Werte für die jeweils gemessenen mathematischen, naturwissenschaftlichen und Lesekompetenzen zusammengefasst. Eine 3 bedeutet demnach, dass in diesem Land in allen drei Kompetenzbereichen Werte über dem OECD-Durchschnitt erzielt wurden, eine 0, dass sich alle Werte innerhalb des OECD-Durchschnitts bewegten. Die in PISA 2003 gesondert erfasste Kompetenz im Problemlösen wurde zur besseren Vergleichbarkeit der Werte der beiden Tests ignoriert. [zurück]

70 Die Bewertung der Schulbibliothekssysteme erfolgte im folgend beschriebenen Verfahren. Es werden vier Merkmale abgefragt:

  1. Mehr als 50 % der Schulen besitzen eine Schulbibliothek.
  2. Es existiert eine geregelte Ausbildung für das Schulbibliothekspersonal.
  3. Schulbibliotheken sind in die Curricula eingebunden.
  4. Es existiert entweder eine landesweit agierende Stelle, die sich um die Entwicklung und Forschung zu Schulbibliotheken kümmert oder aber ein landesweites Netz von solchen Stellen.

Die Bewertung erfolgte in folgender Form: alle vier Merkmale vorhanden: ++, drei Merkmale: +, zwei Merkmale: 0, ein Merkmal: -, kein Merkmal: --.
Eine 0 bedeutet demnach, dass ein relativ funktionierendes Schulbibliothekssystem existiert. Eine genauere Auswertung findet sich in Anhang B. [zurück]

71 Allerdings ist zu beachten, dass laut Han (2005) die Entwicklung eines Schulbibliothekssystems in Süd-Korea erst in den letzten Jahren, ungefähr 2000, eingesetzt hat. Zuvor hätte Süd-Korea in dieser Wertung die schlecht-möglichste Note bekommen. Insoweit ist zu bezweifeln, dass sich diese Entwicklung in den Ergebnissen der PISA 2000 Studie niederschlägt. Inwieweit sie sich in der PISA 2003 Studie findet ist ebenso ungeklärt. In den Studien wird immer wieder betont, dass die Ergebnisse eine 8-10 jährige Bildungskarriere und nicht die Lernerfolge der letzten Schuljahre widerspiegeln würden. [zurück]

72 Dabei fällt Süd-Korea aus dem Rahmen, da dort erst seit 2000 von einem gut funktionierenden Schulbibliothekssystem gesprochen werden kann. [zurück]

73 Eigentlich ist es falsch, von einer Debatte zu sprechen. Bis auf den Text von Gaus (2005) und der hier erfolgten Darstellung gibt es bisher keine Stellungnahmen, die sich mit vorausgegangen Texten kritisch auseinandersetzen oder differente Positionen einnehmen würden. Vgl. zur weiteren Diskussion der Ergebnisse Schuldt (2006). [zurück]

74 Zum Beispiel Bibliotheksrallyes, Lesenächte, Veranstaltungen mit Autorinnen und Autoren sowie Ausstellungen, die in und mithilfe der Bibliotheken gefertigt wurden. [zurück]

75 Wiese (2001a). Außerdem ist zu Bedenken, dass es sich bei den Beiträgen Jugendliteratur und Medien um eine Zeitschrift der Gewerkschaft GEW handelt. Obwohl keine direkte Einflussnahme der Gewerkschaft auf den Inhalt derselben ersichtlich ist, scheint es doch dem Anspruch, Schulbibliotheken für alle Bevölkerungsschichten zu errichten, zuwiderzulaufen, dass eine spezifische Interessengruppe sich mit der Herausgabe der einzigen kontinuierlichen Publikation für Schulbibliotheken befasst. Dies ist allerdings nicht die Schuld der Gewerkschaft, sondern des Faktes, dass sich sonst keine andere Möglichkeit fand, schulbibliothek aktuell weiterzuführen oder andere Projekte auf diesem Gebiet zu initiieren. [zurück]

76 http://www.schulbibliotheken.de/ [letzter Zugriff: 04.06.2006]. [zurück]

77 http://www.medienzentrum-siegen.de/schulbibliothek/ [letzter Zugriff: 04.06.2006]. [zurück]

78 Im Vorfeld hatte Muskatewitz (2002, Seite 37f.) eine Arbeit vorgelegt, in der er zustimmend Hermann Rösch zitiert, welcher sieben Funktionalitäten beschreibt, die ein Portal bieten müsse, um als ein solches zu gelten: Einen einheitlichen Einstiegs-Punkt, Simplizität, leistungsfähige (interne) Suchwerkzeuge, Aggregation großer Informationsmengen, Strukturierung und Aufbereitung von Informationen, Integration von Zusatzfunktionen (die zuvor isoliert angeboten wurden), Personalisierungsmöglichkeiten, (Möglichkeiten von) Kommunikation und Kollaborationen, Validierung von Informationen. Diese Kriterien erfüllt schulmediothek.de nur zu einem sehr geringen Teil. Die Seite muss dennoch als Portal bezeichnet werden, da sie die einzige Homepage für deutsche Schulbibliotheken darstellt. Die Aufzählung deutet aber an, welche Funktionen sie eigentlich bieten müsste, um als funktionstüchtiges Projekt gelten zu können. [zurück]

79 Zur Zeit gerade einmal acht Personen (http://www.bibliotheksverband.de/ex-schule/mitglieder.html, 12.06.2006). [zurück]

80 Ein eigener Raum, eine feste pädagogische und/oder bibliothekarische Leitung, ein Bestand an Sachmedien zu mehr als 50% des Gesamtbestandes, eine Erschließung des Medienbestandes, eine Freihandaufstellung des Bestandes, genügend Arbeitsplätze, geregelte Öffnungszeiten, ein eigener Etat. [zurück]

81 Siehe Tabelle 2. [zurück]

82 Vgl. Prasch (2005), LAG Schulbibliotheken in Hessen e.V. ; Hessisches Landesinstitut für Pädagogik (2000). [zurück]

83 In ihren neueren Texten äußert sich die Autorin nicht explizit in diese Richtung. Inwieweit die Arbeit noch für relevant erachtet werden kann, ist deshalb zweifelhaft. Gleichzeitig ist dies der neueste umfangreiche Entwurf einer Schulbibliothekspädagogik. [zurück]

84 Neumann (1989), S. 35. [zurück]

85 Sie betrachtet diese Ungleichheit als negativ, zieht hingegen nicht in Betracht, dass es neben ihrer Vorstellung von einer sinnvollen und produktiven Mediennutzung andere, ebenso sinnvolle Arten der Mediennutzung geben kann, welche von Kindern sozial benachteiligter Schichten umgesetzt werden und diese Ungleichheit eventuell ausgleichen könnten. Es ist als grundlegender Mangel dieser Arbeit festzuhalten, dass die Autorin durch die Vorentscheidung für eine einzige positiv besetzte Form von Mediennutzung die Diversität der Gesellschaft außer Acht lässt und somit ihre Ergebnisse relevant verfälscht. [zurück]

86 Neumann (1989), S.226. [zurück]

87 Ballenthin (2003), Seite 117. [zurück]

88 Ballenthin (2003), Seite 117. [zurück]

89 Lonsdale (2003). [zurück]

90 Haycock (2003). [zurück]

91 U.S. National Commission on Libraries and Information Science (2006), Page 3. [zurück]

92 Baird (1994) hat beispielsweise eine kurze Einführung zur Errichtung von School Libraries in ehemaligen britischen Kolonien und Überseegebieten zusammengestellt. Diese geht explizit auf die Möglichkeiten ein, welche in Ländern ohne Schulbibliothekssysteme und mit wenig oder gar keinem Etat der einzelnen Schulen, für den Aufbau solcher Einrichtungen bestehen. Es ist evident, dass die deutsche Diskussion diese Broschüre – auch wenn einige Vorschläge, zum Beispiel die zum Schutz vor Monsunen, sehr regionalspezifisch sind – nicht zur Kenntnis genommen hat, obwohl die Situation ähnlich schlecht und die Kenntnisse über Bibliotheken außerhalb der bibliothekarischen Kreise ähnlich gering ist, wie von Baird in den von ihr beschriebenen Ländern beobachtet. [zurück]

93 Dies hatten die Beratungsstelle für Schulbibliotheken in Carrol (1981), S. 198ff. und Neumann (1989), Seite 66-115 schon festgestellt. Seitdem hat sich keine grundlegende Änderung ergeben. [zurück]

94 Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (2003). [zurück]

95 Vgl. Cron (2003). In Berlin existiert eine Ausführungsvorschrift, nach der sich die Schülerinnen und Schüler beaufsichtigt fühlen müssen. Interview Schule E. [zurück]

96 Einer der Hauptaspekte dieser Ansätze besteht darin, Kindern und Jugendlichen unterschiedliche Angebote zu unterbreiten, die diese dann selbstverantwortlich auswählen können. Dies wird meist umgesetzt, indem Räume mit unterschiedlichen Angeboten geöffnet werden, zwischen denen die Jugendlichen und Kinder frei wechseln können. Somit stellt sich das gleiche Problem, wie der Gang vom Unterrichts- zum Bibliotheksraum, jedoch in institutionalisiert geförderter Form. [zurück]